Der erste Tag war auch nur so etwas wie eine Aufwärmübung. Nur 103 km und die super einfach zu fahren, da meist Rückenwind. Mir scheint aber, wir brauchen das. Wir müssen erst so richtig reinkommen und ein sanfter Einstieg ist da sicher von Vorteil. Belohnt wurden wir mit dem Ziel in Hope. Hier ist Kanada durchaus schon so wie ich es mir immer erträumt hatte!
Der Aufbruch
Die Nacht im Zelt ist mir als verhältnismäßig kalt in Erinnerung. Ich hatte nur die Unterhose und ein T-Shirt an. Mein Schlafsack geht bis plus 8°C. Wenn es kalter wird, gibt es einen Innensack, den ich aber nicht nahm. Irgendwann gegen 22:00, als ich zum erstenmal munter wurde, zog ich mir ein Langarmshirt an. Mehrmals wurde ich wach, schlief aber gleich wieder ein. Eigentlich schlief ich ganz gut. Um 05:30 läutete mein Wecker. Ich stand auf, da ich mit dem Packen bis 07:00 fertig werden musste und ein wenig Frühstücken sollte auch noch sein. Klingt nach einer langen Zeit. Leider ist sie für mich immer noch kurz. Das Packen muss ich echt noch optimieren.
Kurz sei es noch ein letztes Mal erwähnt. Der Toilettengang. Tatsächlich sind in Kanada alles Toiletten so, dass zuerst Wasser in der Muschel ist und zwar viel. Beim Betätigen des Spülknopfs geht das alles nach unten weg und dann fließt alles aus dem Spülkasten nach.
Nach mir war Frederic auf, dann Josef und dann Petr. Jeder war mit sich und seinem Zeltabbau beschäftigt. Jeder stopfte sich irgendwie währenddessen Essen rein. Um 07:00 waren wir alle fertig, wobei ich sogar ein paar Minuten überzog. Ich denke, ich habe zu viel für das Fassungsvermögen meiner Taschen mit.
Jetzt begann also die erste wirkliche Etappe. Wie sich zeigen wird, sollte sie über 103 km gehen mit 488 Höhenmetern. Entgegen meiner heutigen Überschrift ging es ein paar Meter sogar mehr hinauf als hinunter. Gefühlt ging es aber mehr nach unten, was wohl am angenehmen Rückenwind lag, der uns trotz Gepäcks fallweise längere Strecken mit einem Schnitt von über 20 km/h fahren ließ und das bei mittlerer Herzfrequenz.
Ein angenehmes Fahren
Die Fahrt insgesamt war eine sehr angenehme. Angesichts der rechnerischen 130 Kilometer pro Tag, die wir so im Mittel machen wollten und angesichts der guten Bedingungen war ich für Weiterfahren. Josef argumentierte aber damit, dass in der heutigen Zielstadt Motels wären und ein Campingplatz und wohl auch ein Supermarkt. Hingegen 30 Kilometer später wäre nichts. Wir müssten wild campen. Das wollten wir alle nicht. Am liebsten wäre uns ein Motel mit Dusche. Am Campingplatz der letzten Nacht gab es ja nur tröpfelndes Kaltwasser und das gegen 50 Cent Aufpreis. Es sei also gut, früher zu Bett zu gehen, gut ausgeschlafen zu sein für morgen, wo es 1300 Höhenmeter wären und zirka 115 km.
Einverstanden. Josef ist so etwas wie der Chef. Bei uns gibt es echt keine strenge Hierarchie, aber er ist Mastermind der ganzen Sache und hat die Route mehr oder weniger im Kopf, auch schaut er immer wieder aufs Handy und weiß dann immer genau, ob wir geradeaus, nach links oder nach rechts gehören. Das klingt jetzt ein wenig komisch. In Kanada vermisse ich sehr Wegweiser. Für einen Fremden ist es echt schierig. Manchmal gibt es etwas. Selten steht die Hauptrichtung drauf und quasi nie die Straßennummer. Unser Ziel hieß Hope. Ja, so heißt der Ort. Im Geiste malte ich mir schon Wortwitze damit aus, auch für die heutige Überschrift, und ich wollte ein Gruppenfoto bei der Ortseinfahrt machen. Leider verabsäumten wir das. Eine richtige Ortstafel sollte es dann nämlich gar nicht geben.
Ach, ja, zur Hierarchie. Josef ist aufgrund seiner Kenntnisse Chef. Wollen wir es so nennen. Aber jeder hat so seine Fähigkeiten und Kenntnisse. Petr, der sicherlich der Schwächste und Unerfahrenste ist von uns, fragte mich schon beim sogenannten Frühstück, was man den Essen solle bei solchen Langstrecken. Er sieht mich als so etwas wie den „Godfather of long distances“. Einmal meinten heute alle, als es länger bergauf ging, dass ich eine Maschine sei. Freut mich. Nun, ich konnte Petr nur sagen, dass Brot ganz gut ist und man essen solle wie zuhause auch, nur eben etwas mehr und nichts schwer im Magen liegendes. Wissbegierig nahm er meine Tipps auf und als wir dann nach drei Stunden bei einem Walmart einkaufen waren, hatte er in etwa dasselbe im Korb wie ich. Ich kaufte mir aber noch eine zusätzliche Tasche und Gummistrippen. Da erfuhr ich von der Verkäuferin, dass man diese hier Bungee nennt. Witzig.
Vom Walmart ging es dann weiter, immer entlang der großen Straßen. Es sind so etwas wie bei uns die Schnellstraßen, allerdings mit einem gekennzeichneten Fahrradstreifen ganz rechts. Ein Fahrradrennen für Normalverbraucher war im Gange. Hundert oder Zweihundert Radlfahrerinnen und Radlfahrer überholten wir und gratulierten uns. Manchesmal waren auf Steigungen wir die Überholenden. Auffallen ist, dass die Straßen in einem sehr guten Zustand sind, allerdings sind gerade am Radweg ständig kleinere Steine im Weg. Man muss denen immer schön ausweichen. So bleibt man wenigstens schön munter. Es ist das Fahren so ähnlich wie das Supermario-Spiel, wo man Steinen ausweichen muss.
Morgenkaffee
Auf einen Morgenkaffee gingen wir in einen schmuddeligen Laden namens „Eagle’s Cafe“. Wie im Film. Fettdunst in der Luft vom ölig fetten Braten ungesündester Wurstwaren, eine Kellner und wohl auch Chefin, die fettes Haar hatte und zwanzig Scheiteln und Fettflecken am T-Shirt. Wir bestellten Kaffee und bekamen Halblitertassen schwarzen Filterkaffees. Verfeinern mit Milch und Zucker konnte man ihn selbst. Dafür war der Kaffee sehr billig für dieses Land hier. 2 Dollar 30 das Stück. Das sind unter 2 Euro. Beim Wegfahren waren Harleyfahrer und Begleitungen draußen. Wie immer wurden wir angequatscht. Als wir erzählten, woher wir kommen, meinte eine der Damen „Ahoj“, zu mir „Guten Tag“ und zu Frederic „Bonjour“. Das ist ja allerhand. Ich meine, wer da drüben kennt alle Länder und wer weiß dann auch, dass man in Österreich Deutsch spricht…
Die Straßen
Weiter gings. Bergab war ich meist der Schnellste. Der Grund ist, dass ich am Beginn des Gefälles noch ganz ordentlich antrete, während die anderen sich einfach rollen lassen. Ich hoffe, sie machen mir das bald nach, denn so heben wir ohne großen Kraftaufwand unsere Durchschnittsgeschwindigkeit. Gesagt hatte ich es ihnen ja. Beherzigt hatte es bis jetzt niemand.
Auffallend an Kanada ist auch, dass es nicht so viele Tankstellen gibt und Supermärkte findet man überhaupt nur alle 15 Kilometer, mit viel Glück. Auch gibt es nicht so viele Fast Food Restaurants. Wahrscheinlich liegt das daran, alles mit dem Auto zu erledigen. Josef kannte die Gegend und er führte uns dann zu einem Fast Food Laden mit WLAN. Das war gut. Wir saßen draußen, ich cremte mich mit Sonnenschutz ein, da nun die Sonne herausgekommen war. Die Burschen packten ihre Jausen aus und aßen ungeniert Selbstmitgebrachtes. Ich ging lieber rein um etwas zu konsumieren. Ausserdem war es mir für den Laptop draußen zu hell. Ich bestellte Wasser. Zu meiner Überraschung kostete das nichts. So hatte ich gratis Trinken und gratis Internet. Petr ließ sich seine Trinkflasche auffüllen. Das machte ich dann auch. Es war schon wieder Aufbruchstimmung. So konnte ich mir gar keinen Burger mehr bestellen und lebte nur auf des Unternehmens Kosten, ohne etwas beizusteuern. Auch egal. Nett war es. Sie winkten uns noch nach.
Es waren nur noch um die 35 km bis Hope. Die gingen besonders schnell, da der Rückenwind richtig brutal war. Einmal fuhr ich 17 km/h ganz ohne Kicken. Geil. Die Straße war für mich ein einziger Laufsteg wunderbarer Fahrzeuge. Motorräder waren fast grundsätzlich Harleys und davon gab es viele, meist Eletra Glides in schwarz. Dann waren die meisten Autos Pick Ups und zwar wirklich große oder riesengroße Geländewägen. Jeder Dritte zog etwas, entweder Motocross Maschinen oder Motorboote oder Wohnwägen, wobei diese Wohnwägen nichts mit den unseren gemein haben. Das sind richtige Riesenhäuser und immer zweiachsig. Die Zugfahrzeuge haben manchmal hinten Zwillingsreifen. Das heißt, die Pick Ups sind LKW. Oldtimer sahen wir auch zahlreiche und dann eben Autos, die es bei uns gar nicht geben darf. Muscle Cars, wo der Motor aus der Motorhaube nach außen empor ragt. Gewaltig. Vereinzelt gibt es auch Autos, die den Weg nach Europa nie geschafft hatten, etwa ein Ford Thunderbird, allerdings aus aktueller Produktion. Ein modernes Auto, optisch angelehnt an den alten T-Bird. Für mich ein einziger Traum. Ich hätte nur am Straßenrand stehen können und die Vorbeifahrenden fotografieren können. Oh, dann wären mir aber die am Straßenrand entgangen mit dem „For Sale“-Schildern. Ach, da waren Coupes aus den 1960ern und 1970ern zu finden. Am liebsten hätte ich sie gekauft und sie dann so zusammengedrückt wie meinen Schlafsack oder die Schlafsackunterlage, um die Autos zusammengerollt im Flieger mit nach Hause zu nehmen. In Wien hätte ich sie wieder aufgerollt.
Ja, man merkt schon, so richtig im wilden Kanada waren wir noch nicht und auch der Kopf war noch nicht im Reisen oder in der wilden Natur. Ich war noch immer der Benzinbruder einst. Mir dämmerte jedoch, dass es noch am Ende des Tages sehr schön werden konnte. Noch aber war alles auf Benzin und Diesel eingestellt. Wir kamen zu einer Brückenwaage. Da blieben wir stehen und wogen uns ab. Lustig war das. Ich kam auf 100 kg. Passt.
Kanada wie in meinen Träumen
Strahlender Sonnenschein. Nach der Brückenwaage waren es keine 5 km bis Hope. Hier waren wir mit einem Schlag im echten Kanada mit Bergen und Seen und Wäldern. Gleich zu Beginn waren ganz viele Motels. Wir hatten Zeit und so frugen wir nach den Preisen für ein Zweibettzimmer, wo wir auch zu viert schlafen könnten. Immer so um die 140 Dollar pro Zimmer. Viel zu viel. Beim ersten Campingplatz waren es 15 Dollar pro Person direkt neben der Hauptstraße, beim zweiten dann nur noch 35 Dollar für alle vier, abseits aller Straßen, und mit Warmwasserduschen und WLAN. Hier blieben wir. Vor den Bären wurde hier bereits gewarnt. Wie sich bald herausstellte war das nur ein Schild als Scherzerl. Einen netten Schlafplatz fanden wir. Hier konnten wir noch eine Weile gemütlich plaudern und essen und uns auch duschen. Wirklich ein guter Platz hier, in jeder Hinsicht. Morgen werde wir dann mehr gefordert sein.
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Schön, das mitverfolgen zu können/dürfen! Habt noch viel Spaß!
Platzsparend hochwertige Nahrung eventuell auch bei Walmart zu haben. ….Sportler Gels
Einfach Toll!
Und diese Landschaft… Ich bin begeistert.
Toi Toi Toi!
Bester Guido, mit deinen ausgezeichneten 100 kg könnte ich mit meinem Kickbike Race Max auch mithalten, aber dann leider halt ohne Gepäck;-)
Ich wünsche euch endlosen Rückenwind!
Karl
Danke, Rückenwind haben wir öfters als Gegenwind. Das wussten wir aber schon bei der Planung der Marschrichtung. 🙂