Über 15 Kilometer einsamen Waldes mit guten Chancen auf eine überraschende Bärenbegegnung ging es auf nach Banff. Das Wetter war leider nur teilweise gut und so entwickelte sich unser Ruhetag anders als geplant. Der Tag endete mit einer tollen Überraschung.
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Der Morgenliterat
Da ich gestern mit dem Schreiben nicht fertig wurde, stand ich schon um 04:30 auf. Die ersten Bergsteiger waren tatsächlich schon um 03:30 beim Frühstücken und längst weg als ich mich mit dem Laptop in den Aufenthaltsraum setzte. Bis 06:00 schrieb ich. Dann kamen meine Sportsfreunde, die es gar nicht fassen konnten, dass ich offenbar nie schlafe und beim Kicken doch so munter bin.
Wir frühstückten und als wir dann beim Zusammenpacken und Bettabziehen waren, waren wir fast schon die Letzten. Der mütterliche Herbergspapa war von uns völlig angetan. Naturgemäß hat er ja stets außergewöhnliche Gäste, aber unsere Roller und das Queren des Landes packte er gar nicht. Er ging mit uns raus, da er uns unbedingt fotografieren musste. Gerne! Im Gegenzug musste auch er uns mit meiner Kamera ablichten. Machte er. Und er machte es gut.
Schummrig-schöner Bärenwald
Nach Banff ging es über eine Bundesstraße, wenn man das so nennen kann, also nicht über die Autobahn. Eine menschenleere Straße, mitten in der Natur. Eine schöne Straße vom Asphalt her. Manchesmal teilten sich unsere Richtungsfahrbahn von der Gegenfahrbahn und wir fuhren in einer schmalen Einbahn. Was natürlich ganz schlimm war: wir waren in der Bärengegend und nun wirklich allein im Wald. So stellt man sich den tiefen, finsteren Wald unserer Märchen vor. Üppige Vegetation gab es, bis zum Straßenrand alle möglichen Pflanzen. Ich empfand es als die pure Wildnis, in der zufällig auch eine asphaltierte Straße durchführte, irgendwie nur für uns gemacht. Ganz selten verirrte sich ein Auto hier durch. Stille, meist herrschte Stille, gestört nur durch unsere Kickschritte. Man sollte der Bären wegen aber laut sein. Ein klein wenig schafften wir es indem wir laut miteinander redeten. Bergauf ist das schon eine Herausforderung. Jeder Baumstumpf mutierte in unseren Köpfen zu sich aufrichtenden Schwarzbären.
Die Wolken rissen auf, die Sonne kam. Und wie! Das war vielleicht kitschig!! Man sah jetzt im blauen Himmel die hohen, felsigen Berge, kleine Teiche oder Tümpel gab es und ständig Wald, nah und fern. Und immer gab es auch die Möglichkeit einer Bärenbegegnung. Wir pausierten ganz kurz in einer sonnendurchfluteten Kurve. Einfach nur schön. Immer wieder setzte auch Regen ein, Nebelwolken hielten sich in einer Schicht zwischen Boden und Bergspitzen. Unser gemütliches Dahinrollen im feuchten Wald führte uns zu einem Bereich wo es vor einigen Jahren einen Waldbrand gegeben hatte. Die Äste und Zweige waren alle weg, verhungerte Stämme standen in der Steigung als habe ein Riese Mikadostäbe aus Wut in die Erde gerammt. Nebel bahnte sich den Weg durch die Mikadostäbe. Gespenstisch schön.
Inmitten dieser unwirklich anmutenden Stimmung gab es einen Fleck mit unglaublich vielen weißen Blumen. Ich tippe auf Margeriten. Ein Hobbyfotograf stand vor diesem Bild von Blumen, stehenden Stämmen und Nebel und gab sich seiner Leidenschaft hin. Ich bat ihn, in dieser prächtigen Stimmung doch ein Bild von uns zu machen. Er machte es. Mir ist es schon wichtig, dass wir so viel als möglich Fotos mit uns Dreien darauf haben.
Sonnenschein und Regen wechselten sich ab. Der Sonnenschein dominierte. Obwohl wir auf 1400 Metern Seehöhe waren und der Tag noch jung war, war es schon angenehm warm, deutlich wärmer als in den Tagen zuvor. Wir fuhren vorbei an einigen kleineren Seen. Von diesen hatte uns Josef schon erzählt. Er meinte ganz generell, dass die Umgebung Banffs schöner sei als Banff selbst. Diese Umgebung befuhren wir jetzt gerade. Wirklich sehr schön. Bis Banff waren es nur noch 7 oder 8 Kilometer. Freilich hätten wir auch die Autobahn nehmen können, doch so war es eindeutig schöner. Erstmals kamen wir an einen richtigen Radweg, also nicht einfach an einen Streifen neben der Autobahn. Josef öffnete uns das Gittertor, wir alle gingen durch. Nun waren wir auf einem wunderschönen Radweg, flankiert von besonders üppiger Vegetation. Er verlief neben der Autobahn richtung Banff, allerdings genug weit weg um von den Autos echt eine Ruhe zu haben. Wir waren ganz nahe den diversen Seeufern.
Pause am See
Bei einem größeren See blieben wir stehen. Hier war es wirklich besonders schön. Autos hielten an und die Leute genossen einfach die Landschaft hier. Ich machte eine kleine Fotosafari, denn es boten sich einfach sehr viele reizvolle Motive, nicht zuletzt wegen des merkwürdigen Wetters.
Ein älterer Herr stand mir gerne im Weg. Offenbar hatte er dieselben Ideen wie ich was das Aufspüren dankbarer Motive anlangte. Ich hörte ihn mit seiner Frau reden und erfasste sofort, dass es sich um Deutsche handelte. Wir kamen ins Reden. Dieses Pensionistenpaar ist in der Welt schon viel herumgekommen. In Banff waren sie einige Tage und so erzählten sie mir im Eiltempo von unglaublich vielen Stellen, die es anzusehen gilt.
Es seien alle Sehenswürdigkeiten nicht sonderlich groß, dafür sei es insgesamt so wunderbar abwechslungsreich. Etwa die Häuser in der zweiten und dritten Reihe, die einen guten Eindruck vermitteln wie es vor hundert Jahren hier ausgesehen haben mag. Oder aber auch Steine, die durch Erosion wie Obelisken aussehen. Den Namen merkte ich mir leider nur 30 Sekunden. Sie erzählten mir voller Begeisterung so viel in kurzer Zeit, dass es bei mir leider bei einem Ohr rein und beim anderen wieder raus ging. Eine Begegnung mit einem Bären hatten sie auch in der Nähe. Der Bär war nur drei Meter von ihrem Auto entfernt. Sie saßen in Sicherheit. Völlig desinteressiert an ihnen soll er gewesen sein. Sie fressen, so die Frau, vorwiegend Beeren und sind damit extrem beschäftigt.
Ich entschuldigte mich bei ihnen, da ich in einem engen Zeitkorsett sei und jetzt noch schnell fotografieren wollte und meine Freunde gerade einen Vorsprung mir gegenüber beim Essen haben. Die zwei saßen auf einem Bankerl, mampften Kleinigkeiten und genossen die Strahlen der kräftig wärmenden Sonne. Ein paar schöne Bilder schoss ich und eine Kleinigkeit aß ich auch schnell. Dann kamen die beiden wieder, verabschiedeten sich von uns und wünschten uns eine schöne und sichere Weiterfahrt. Dasselbe wünschte auch ich ihnen. Sie fuhren mit dem Leihwagen ab. Und wir packten zusammen und setzten die Fahrt fort.
Banff, eine Enttäuschung
Von Banff erwartete ich mir einiges. Josef erzählte schon in schriftlicher Form so viel davon uns zwei Bekannte waren schon dort und schwärmen auch immer wieder. Für mich war dieser Ort daher so etwas wie ein vorprogrammierter Höhepunkt. Auch jetzt wo mir die beiden Deutschen so viel Löbliches davon erzählt hatten. Wieder begann es zu regnen, diesmal stärker. Die Schuhe wurden innen wieder nass und wieder wurde es einem beim Stehenbleiben kalt.
Wir waren da. Josef bereitete uns vor. In Banff seien immer Touristen, das ganze Jahr hindurch, im Frühling vielleicht weniger. Er führte uns zu einer Brücke, die er uns unbedingt zeigen wollte. Am Weg dorthin erfasste ich, wie unglaublich touristisch und überlaufen hier alles war. Ein Parkleitsystem gab es und jeden möglichen Nepp zu erstehen. Bauernfänger all überall, dabei war das erst der Anfang. Die Brücke selbst beeindruckte mich in keiner Weise. Man sah von ihr auf ein stilles Gewässer und einen sehr zivilisierten Stadtpark. Mich interessierte mehr ein Amtsgebäude am Ende der Brücke, möglicherweise aus der Victorianischen Zeit, Britisch anmutend in jedem Fall. Schnell fotografierte ich es. Die beiden Kumpels drehten nämlich schon wieder um. Zu einem Supermarkt wollten wir und dann irgendwo sitzen, wo wir WLAN hätten und wir uns auch aufwärmen könnten. Außerdem sollten wir zumindest einmal durch die Hauptstraße gefahren sein.
Ich war wirklich schockiert! Alle Häuser waren hier neu und sehr kitschig in Farben und Formen, alles, wirklich alles war künstlich. Da dachte ich an die Worte des älteren, weißhaarigen Deutschen vorhin. Die Häuser in der zweiten und dritten Reihe wären sehenswert. Tja, die bekam ich nie zu Gesicht. Meine betretrollerten Freunde machen sich grundsätzlich nichts aus Städten oder Dörfern. Das war schon in Vancouver so und wird bei allen zukünftig zu durchrollernden Städten nicht anders sein. Sie wollen nur Lebensmittel einkaufen und ins Internet. Beides lebenswichtig, auch für mich, aber nicht nur. An einer roten Ampel am Ende der Hauptstraße meinte ich dann nur: „Disney World“. Das war wirklich mein finales und ehrliches Urteil nach all diesen Eindrücken hier. Die beiden stimmten mir zu. Frederic wollte dasselbe sagen. Wir bogen links ab zum Supermarkt, der besonders geschmalzene Preise hatte, dafür aber kein WLAN.
Josef, der offenbar jeden Ort in Kanada in- und auswendig kennt, meinte wir müssen nur um diesen Block herum. Dort sei ein kleines Einkaufszentrum mit WLAN und Platz zum ewig sitzen. Wir könnten dort sogar mit den Rollern rein. Gesagt, getan. Es war haargenau wie es Josef gesagt hätte. Mit den Rollern gingen wir rein, stellten diese bei einem Geländer ab, setzten uns an einen der vielen freien Tische und hatten gratis Internetzugang. Frederic und ich holten uns je einen Kaffee. Ich nahm mir noch ein mikrowellenerderwärmtes Stück Pizza dazu. Meinen Laptop packte ich aus und lud massenweise Bilder hoch und auch noch zwei Garmin-Dateien. Dann fügte ich das nächtlich Getippte in meinen Blog ein und postete die neuesten Berichte auf Facebook. Das nahm locker 45 Minuten in anspruch. Frederic und Josef waren ebenfalls schwer mit Facebook beschäftigt. Immer wieder wurden wir von Passanten angesprochen. Einer nannte unsere Roller gleich „Kickbike“. Wir erfuhren wenig später, dass seine Frau ein Kickbike hat. Josef war überrascht. Er ging davon aus, dass wir vier, also Petr mitgezählt, die einzigen Footbiker in Kanada wären…
Durch die Eingangstüre erkannte man, dass es zwischenzeitlich wieder blauhimmelig und sonnig geworden war. Wie kann man nur bei Pappbecherkaffee und geschmackloser Pizza in einem Einkaufszentrum hocken und im Internet surfen, wenn draußen einer der ganz besonderen Orte ist, einer den man selbst als prognostizierten Höhepunkt sieht? Nochdazu wo die Zeit ja mehr als beschränkt ist? Hauptgrund war das schlechte Wetter. Man sah keinen der Berge und der sichtbare Ort war touristengetränktes Disney World. Dann gab es noch einen Grund. Dieser Tag in Banff war von uns immer als Rast- und Ruhetag konzipiert gewesen. Planmäßig hätten wir nämlich in einem Hostel in Banff genächtigt und nicht 30 Kilometer davor. So hätten wir den ganzen Vormittag und einen Gutteil des Nachmittags in und um Banff verbracht. Leider waren wir mit der Platzreservierung zu spät dran, nämlich bereits vor zehn Tagen. In unseren Köpfen blieb es ein Ruhetag und so einen Ruhetag brauchten wir jetzt auch dringend. Wir waren selbstverständlich müde und in der besten Stimmung, uns etwas hängen zu lassen.
Mir kommt gerade noch eine Überlegung zu meinen schlechten Banff-Eindrücken. Ich gehe nämlich davon aus, dass wir wirklich nur das Schlechteste sahen und viele Dinge nicht einmal erahnen konnten, obwohl sie nur ein paar hundert Meter entfernt gewesen waren um auf unsere Entdeckung zu warten. Das ist vergleichbar mit einem Wienbesucher, der am Hauptbahnhof ankommt, die Favoritenstraße hinauf zum Reumannplatz geht und dann mit einem Taxi raus fährt nach Mödling, da er von Wien genug gesehen hatte und enttäuscht war. Ja, so und nicht anders mag es heute bei uns in Banff gewesen sein.
Am trockenen See
Ortswechsel. Zum nächsten Hostel, wo schon alles reserviert war, wäre es nicht mehr weit, so 30 bis 35 km. Daher hatten wir keine Eile. Die Sonne kam ein wenig durch. Zum großen, schönen See könnten wir rauffahren oder bei einem kleinen See weiter unten einfach chillen. Mich interessierte der große und höhergelegene See. Wenn ich schon in Lake Louise gestern nicht zum namensgebenden See gefahren bin, so mochte ich heute ein paar Höhenmeter extra machen, um mir ein kleines Naturwunder zu geben, wenn ich denn schon einmal hier wäre.
Wir machten es dann so, dass wir zum kleinen See führen, ich dort mein Gepäck ließe, die beiden Kameraden auf mein Zeugs aufpassten und sie sich eine schöne Zeit ohne aller Anstrengungen machen würden. So machten wir es, so ähnlich zumindest. Der besagte kleine See war ausgetrocknet. Trotzdem gab es dort eine schöne Wiese, Toiletten, sogar einen kleinen Wirten, zahlreiche Tische und Bänke und durchaus Gäste. Naja, in Banff gibt es ja immer Gäste. Jetzt schien die Sonne so richtig kräftig und die Wolken verzogen sich fast zur Gänze. Endlich sah man die hohen Felsen ringsum. Wir machten einmal gemeinsam große Pause, also Picknick und Haut sonnenschutzig eincremen. Unser nasses Gewand hingen wir zum Trocknen auf, dann breiteten wir unsere Zeltplanen zum Trocknen auf der Wiese auf. Das war das Beste überhaupt. Seit dem letzten Camping waren unsere Zelte ganz leicht feucht. Unsere Solar-Ladestationen richteten wir so aus, dass sie direkt beschienen wurden.
Erdhörnchen und eine kleine Bergetappe
Als ich begann mich bergfahrmäßig bereit zu machen, sprang Frederic auf den Zug auf. Kein Problem für Josef. Er würde auf unser aller Zeugs schon aufpassen können. Ich fuhr kurz-lang und zog die mittlerweile trockenen Sandalen an. Zuvor hatte ich mir eine kleine Blase an der rechten Ferse mit einem Blasenpflaster beklebt. Die blöde Blase kommt vom ersten Tag mit Laufschuhen als ich ohne Socken gefahren war. Die seitlichen zwei Packtaschen ließ ich oben. Somit hatte ich Flickzeugs mit, Werkzeug, Fotoapparat und natürlich auch den Bärenspray. Diesen befestigte ich schnellgriffbereit am Gepäcksträger. Frederic hingegen fuhr mit einem Naked Footbike und kurz-kurz.
Josef blieb auf der Sonnenwiese, wo drollige Erdhörnchen immer wieder aus ihrem Bau schauten, sich aufrichteten, pfeifend quietschten und ab und zu bis zu uns herliefen auf der Suche nach Essbarem. Füttern darf man die Tiere nicht. Bis zu 25.000 Dollar Strafe gibt es darauf. Komisch nur, dass für ein Foto so ein Tier einen Krümel meiner Semmel in den Pfoten hielt. Ja, also wir Bergfexe stiegen auf, von Anfang an recht schnell. Ohne Gepäck reist es sich sagenhaft leicht. Die meiste Zeit war ich vorne, oft sogar recht weit. Im Bergfahren bin ich wirklich ganz gut. Es tröpfelte. Verdammt! Zweitens wegen uns und dem Sightseeing-Ausflug, erstens aber wegen Josef, der nun alle Zelte schnell einpacken musste und auch sonst all unsere Sachen in Regensicherheit bringen musste.
Frederic und ich fuhren die insgesamt 5 Kilometer rauf, etwa 200 Höhenmeter mochten es gewesen sein, um am See ein paar Bilder zu schießen. . Keine tollen Aussichten da oben. Wir verzichteten auf große Perspektivenwechsel und schauten uns den See wohl nur von seiner weniger schönen Seite an.
Von Passanten ließen wir uns gemeinsam fotografieren, dann zog ich mir die Regenjacke an, die ja dabei war, und ab ging die Post. Bergab hat immer Frederic die Nase vorn, so auch diesmal. Mit jedem Kilometer wurde es wärmer und trockener. Als wir bei Josef waren, war alles so wie vorhin, vielleicht sogar noch schöner. Dazwischen hatte es auch kurz geregnet, weshalb Josef alle Zelte einpackte und unser Hab und Gut unter die Tische stellte. Vielen Dank!
Sonnenbaden
Wir blieben hier noch anderthalb Stunden und genossen so richtig das Nichtstun. Manchmal lagen oder saßen wir schweigend in der Sonne, manchmal bequatschten wir etwas Tretrollerspezifisches. Witzig ist es fast immer. Zum Beispiel tut sich Frederic immer sehr schwer beim Mitteilen von Zahlen, auch versteht er nie den Unterschied zwischen „fifteen“ und „fifty“. So entwickelten wir eine eigene Sprache. Siebzehnhundert heißt dann eben „one-seven-o-o“.
Wieder Regen!
Einpacken. Fahrt zum Hostel. Vorher noch ein wenig Einkaufen. Josef hatte heute einen ganz speziellen Hunger. Er hatte ja nicht geplant einzukaufen, doch schien es nun notwendig. In Canmore, dem nächstgrößeren Ort vor dem Hostel, würde es alles geben. So fuhren wir entlang der Autobahn, abschnittsweise wieder auf richtigen Radwegen. Was dann allerdings kam, kam richtig überraschend, nämlich starker, hässlicher Regen. Die Sandalen, die ich außen zum Trocknen hängen hatte und die rote Tasche, die ich nicht wie sonst immer halbwegs wasserfest verpackt war, wurden blitzschnell waschelnass. Meine Schuhe und Socken wurden auch wieder komplett durchnässt. Alles war wieder wie gestern und vorgestern. Nach diesen wohlig warmen Sonnenstunden am ausgetrockneten See hatte niemand mehr mit einem solchen Regen gerechnet.
In Canmore fuhren wir von der Autobahn ab und flüchteten uns in die Trockenheit eines Supermarkts. Josef ging wie geplant einkaufen. Die beiden Lehrer genehmigten sich beim integrierten Starbucks einen Kaffee. Sauteuer, nicht besonders gut, aber wärmend.
Ich postete ein Starbuckskaffee-Selfie, weil ich auch den Namen Canmore so gut finde. Der Kaffee konnte mehr in Canmore. Ja, er konnte zumindest wärmen.
Gemeinsam mit Josef warteten wir auf einen Rückgang des Regens, was uns allen sehr leicht fiel, gab es hier doch WLAN. Der Regen legte sich zur Gänze und so starteten wir zum letzten Abschnitt unserer heutigen Etappe. Schon schräg, wenn wir am so genannten Ruhetag 75 Kilometer zurücklegen. Während dieser kürzeren Fahrt regnete es erneut. So eine Scheiße. Offenbar ist das hier ganz normal.
Die bislang schönste Bleibe
Von der Autobahn aus sah man das Hostel. Ein hübsches Holzhaus mit viel Grün dabei, relativ hoch oben gelegen. Wir fuhren von der Autobahn ab, einen Schotterweg steiler und steiler nach oben. Endlich waren wir da.
Die positive Überraschung war für uns alle riesengroß. Das Haus war in allen Belangen wunderschön und gemütlich. In diesem Hostel war alles bis ins kleinste Detail schön, modern und dennoch saugemütlich, sauber, teuer in der Qualität. So tip top und dennoch angenehm fand ich es bis jetzt in keinem Hotel. So und nicht anders würde ich mir ein Haus bauen und einrichten. Unser Zimmer bestand aus zwei Doppelbetten. Jeder von uns bekam einen Schlüssel und Bettzeug. Mitschläfer war ein Australier. Das Haus war ausgebucht. Platz bot es für etwa 20 Gäste. Bad und WC gab es jeweils in einem absperrbaren Raum. Auch hier teure Einrichtung bis hin zur Klopapierhalterung. Volle Begeisterung!
Nach dem Duschen, das echt ein vergnügliches Erlebnis war hier machten wir die Betten und aßen noch ein wenig. Überall gab es WLAN ohne Passwort. Meine Freunde gingen noch vor 22:00 schlafen. Ich setzte mich mit dem Laptop ins Kaminzimmer, wo ich bis Mitternacht schrieb, Bilder bearbeitete und Fotos hochlud. Dann ging ich in unser Zimmer in den ersten Stock. Ich war der Letzte. Auch in diesem Hostel gab es durchwegs Bergsteiger und weil alle früh auf wollten, gingen sie auch früh schlafen. Wir werden morgen um 07:30 abfahren, da es eine 115km-Etappe wird mit wenigen Höhenmetern.
Beim Einschlafen störte mich an der Decke irgend so ein elektronisches Gerät, das eine Diode hatte, die alle paar Sekunden für sehr kurz aufleuchtete. Mir fiel ein alter James Bond Film ein mit dem Darsteller, der nur einen JB drehte und an dessen Namen ich mich nicht mehr erinnere. In diesem Film gab es so ein geheimnisvolles Haus in den Schweizer Alpen, wo auch viel Elektronik im Spiel war. Da ich gar so schnell einschlief und nie munter wurde während der folgenden Nacht, denke ich, dass ein Schlafgas vom Big Brother ferngesteuert ausgeströmt wurde.
Für mich der schönste Bericht bis jetzt! Beeindruckend! Als ob ich den Tag mit Euch miterlebt hätte. Danke!
Danke Dir! Ich bemühe mich, in dieser Tonart weiterzuschreiben. 🙂
Hi Guido!
Da rollst Du durch die schönste Natur, siehst unberührte Flüsse, echte Urwälder und beklagst Dich in Banff, dass alles künstlich sei. Wir leben hier in einer komplett künstlichen Kulturlandschaft und haben gar keine Chance, eine derartige Natur zu sehen. Hat es euch nie gereizt, ein wenig in so einen Wald hineinzufahren oder zu wandern? Ich beneide euch. Ich wünsche Dir sogar eine harmlose Begegnung mit einem Bären.
Liebe Grüße!
Ich habe Banff in toller Erinnerung, aber so wie du sagst: es kommt darauf an was man sieht! Für mich ist Banff auch keinesfalls nur die bunte Hauptstraße sondern die wundervolle Gegend des Nationalparks rundum, die beeindruckenden Berge, Wasserfälle, Seen.
Aber schön dass ihr auch ein paar tolle Eindrücke der Natur rundum sammeln konntet und ein paar Sonnenstunden genießen endlich. Danke wieder einmal für den tollen, ausführlichen Bericht für den du immer kostbare Stunden Schlaf opferst!!! Keep Going!!
Danke, das gute Wetter können wir gut gebrauchen…
In Banff bei den Häusern abseits der Hauptstraße hast Du nichts großartiges versäumt. Es sind vor allem Wohnhäuser, meist aus Holz, Zweckbauten halt. (Hab mich mit Street View kurz dort umgesehen.) Der große See heißt Lake Minnewanka. Seltsam zunächst, denn Der See hat einerseits einen alten indianischen Namen, andererseits ist am unteren Ende ein moderner Staudamm. Erklärung: Der Damm wurde erst 1941 hinzugefügt und hat den Wasserspiegel des Sees um 30 m angehoben. Der alte Ort Minnewanka wurde dabei geflutet.
Den Ortsnamen Canmore kann man natürlich Englisch auffassen, damit liegt man aber falsch. Es ist ein aus Schottland importierter keltischer Begriff. Im Original ‚ceann mór‘. Das bedeutet ‚großer Kopf‘ und war der Spitzname des schottischen Königs Malcolm. Köpfe aus dem keltischen Sprachraum hat es mehrere nach Amerika verschlagen, so auch den ‚ceann aide‘ = ‚häßlicher Kopf‘, der sich im englischen Umfeld Kennedy schreibt.
Danke Horst!!! Ich bin bei Deinen Banff-Ausführungen buff wie immer. Bitte mehr davon, wenn Dir zu anderen Beiträgen etwas einfällt. Danke Dir!
George Lazenby
Im Geheimdienst Ihrer Majestät