Die Überschrift sollte ja ganz anders lauten. Irgendetwas mit „La Linea“ oder „strichgeraden Strecken“, da die linealgezogenen Straßen und auch eine gewisse Monotonie das Prägende waren. Doch witziger ist das Wortspiel mit Drumheller, unserem Zielort, den wir wegen der hohen Reisegeschwindigkeit von 21,1 km/h im Mittel bei Helligkeit erreichten.
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Sehr später Aufbruch
„Easy, but awful“, brachte es Frederic nach nur zehn Kilometern auf den Punkt. Nun aber einmal der Reihe nach. Wie vereinbart schliefen wir deutlich länger als sonst. So gegen 07:30 wurde ich durch die Stimmen meiner Sportsfreunde wach. Ich kroch aus dem Zelt. Die Sonne schien. Geschlafen hatte ich ausgezeichnet gut. Die anderen auch. Iveta und Josefs Freund waren schon um 05:00 losgefahren, da sie zur Arbeit mussten.
Wir bauten ab und legten die ausgebreiteten Zelte zum Trocknen in den sonnigsten Teil der Wiese. Dann frühstückten wir am Holztisch. Frederic bekam seinen Akku zurück. Jetzt gab es also keinen Grund noch länger hier zu bleiben. Wir packten zusammen und eigentlich wie immer brauchte ich am längsten. Immer dieses Einpacken! Ich werde am letzten Tag noch viel zu viel Zeit damit verbringen.
Anfüllen aller Trinkflaschen und Abfahrt. Nach fünf Kilometern waren wir etwa an jenem Punkt, wo Frederic seinen oben genannten Kommentar abließ. Das „easy“ bezog sich auf den Rückenwind, der den ganzen Tag unser Verbündeter sein sollte und uns einen sensationell hohen Schnitt ermöglichte und vor allem das Überwinden kleiner Steigungen mit einem Kraftaufwand, den man normal in der Ebene hat.
Eintönigkeit
Das „awful“ bezog sich auf die Eintönigkeit der flachen, unbewohnten Landschaft. Frederic schreibt keinen Blog und schreibt kein Tagebuch. Stattdessen macht er immer Tonaufzeichnungen mit seinem Handy. Da hörte ich ihn dann abends: „la prairie, la prairie, la prairie, la prairie, …“ Und wie ging es mir ? Mir macht die Monotonie generell sehr wenig. Eigentlich gab ich mich mehr den Farben der Landschaft hin und konnte der Eintönigkeit viel Spannendes, viel Interessantes abgewinnen.
Vier Tuben Acrylfarben reichen
Rapsfelder dominierten die Eintönigkeit und grüne Felder oder grüne Wiesen, dazu ein strahlend blauer Himmel. Das Grün der Wiesen war meiner Einschätzung eine perfekte Mischung aus dem Himmelblau und dem Rapsgelb. So dachte ich mir, dass man die Eindrücke hier mit nur zwei Tuben Acryl-Farbe müsste malen können. Nein, eine Tube Schwarz zum Abdunkeln und eine Tube Weiß zum Aufhellen bräuchte man noch. Fertig, nur vier Tuben ! Tatsächlich wäre dann auch das Grau der Straße anzumischen und die hellen Wolken sowieso. Mir gefiel die langweilige Gegend sogar sehr gut, auch die ewig geraden Straßen beeindruckten mich.
Ewige Geraden
Warum Baukosten unnötig in die Höhe treiben ? Die billigste Variante ist immer noch die, eine Autobahn ganz ohne Kurven zu errichten. Das machte man hier. Unspannend war das freilich schon, aber so ganz anders als daheim. Ich denke, was Frederic so langweilig fand, waren die Rapsfelder. Das gibt es im Pariser Umfeld auch. Sehr dünn besiedelt war es mittlerweile. Kanada hat auf diese Riesenfläche gerade einmal 35 Millionen Einwohner. Das ist echt nichts. So passierte oft 10 Kilometer nichts. Dann sah man ein Haus.
Rückenwind und Hitze
Verdammt heiß war es. Zu trinken hatten wir genug mit. Es boten sich doch ab und zu Möglichkeiten, Wasser nachzutanken, etwa auf Tankstellen, die jedoch schon auch selten zu finden waren. In den Rocky Mountains konnte man alle hundert Meter aus einem kleinen Bächlein frischestes Wasser trinken. Hier nicht. Hier war Kanada gänzlich anders als in meinen Vorstellungen. Die Bärensprays hatten wir mittlerweile ganz tief unten in unseren Taschen untergebracht. Hier gab es nur Moskitos oder andere lästige Insekten. Manchesmal sah man Schwärme von zehntausenden kleinen Insekten vor einer schattigen Fläche hell aufleuchten. Das sah aus wie heller Rauch. Ich fotografierte es nicht, denn es hätte nur wie ungewollt am Foto ausgesehen, so als wäre die Linse der Kamera schmutzig. Das mit dem Fotografieren war ja sowieso nie so einfach. In Abfahrtsphasen bleibt man nicht stehen, da man dadurch wertvolle Meter verliert, in wenigen Sekunden gleich hunderte Meter. Dank des Rückenwinds hatten wir irgendwie ständig Bergabfahrten. Daher sind die entstandenen Fotos ohnedies etwas wie kleine Opfer. Bezahlen musste ich in der Weise, dass ich immer schneller sein musste als die Kollegen. Ich fuhr vor, fotografierte und als sie an mir vorbei waren, drückte ich dann noch einmal ab. Einpacken der Kamera und den Anschluss finden. Umgekehrt machten dies Josef und Frederic auch, wobei ich der Vielfotografierer bin.
An solchen Tagen wünscht man sich im Auto, dass die Klimaanlage nicht den Geist aufgibt. Wir aber waren zehn Stunden der Sonne und der Hitze ausgesetzt. Die Pausen verbrachten wir daher im Schatten. Den fanden wir unter Bäumen. Bäume zu finden ist gar nicht so einfach hier. Man sieht sie glücklicherweise schon aus 15 Kilometern Entfernung. In einer dieser schattigen Pausen sagte uns Josef, dass es derzeit in Quebec 40 bis 45°C hat. Wenn wir Ende August ankommen, werde es schon eine Spur kühler sein. Da merkte ich, dass der heutige Tag wohl kein besonderer gewesen sein werde.
Polizei, Raucher, Trinker, Umweltverschmutzer
Eine Art Einsatzfahrzeug näherte sich uns und blieb stehen. Der Fahrer meinte, wir sollen zur Seite gehen, ein überbreiter Transporter würde kommen. Wenig, sehr wenig später fetzte er sehr rasant an uns vorbei. Aufgeladen hatte er ein Haus. Immer wieder kamen in weiterer Folge überbreite Transporte. Manchmal hatten sie hinten nur ein Schildchen „wide load“ und kein Begleitfahrzeug dabei. Bei der Gelegenheit muss ich unbedingt loswerden, was mir so auffällt an Kanada. Ich sah in der Zeit bis jetzt nur zwei Polizeiautos und nur in Vancouver Rettungswägen. Dann fällt mir natürlich auf, dass de facto niemand raucht, weil es auch überall verboten ist und niemand öffentlich Alkohol trinkt, weil der auch nicht ausgeschenkt wird. Und sehr erfreulich ist, dass man am Straßenrand extrem selten Schmutz findet in Form aus den Autos geworfener Gegenstände. Als ich einmal mit dem Roller von Wien nach Kleinzell fuhr, gab es Abschnitte, wo es durchschnittlich eine Dose Red Bull pro zehn Meter gab! Hier sehe ich höchstens zehn Dosen oder Becher pro Tag.
Bei uns in Europa bekommt man in jedem Ort etwas zu trinken oder essen und in jedem halbwegs großen Ort gibt es einen Supermarkt. Sehr anders hier. Meist gibt es nichts und das sogar in größeren Orten. Da ist es sehr praktisch, dass man vor den Orten und spätestens an der eigentlichen Ortstafel Piktogramme hat, ob man Einkaufen kann (Einkaufswagerl) oder Essen (Messer, Gabel, Teller), ob es ein Hotel (Bettsymbol) gibt und so weiter. Wir suchen immer nach dem Einkaufswagerl. In einer Ortschaft fanden wir dies. Wir brauchten dringend Essen und Trinken.
Kontaktfreudige Leute in der Westernstadt
Es war ein Örtchen, das an eine Westernstadt erinnerte. Die Straßen waren unglaublich breit im Verhältnis zum Rest. Kleine Häuser, kein öffentliches Leben. Frauen fuhren mit großen Pick Ups herum. Diese Doppelkabinen-Lieferwagen mit hoher Bodenfreiheit entsprechen in Kanada den VW Golfs. Die Ladies waren also nur fürs Abendessen einkaufen. Der Ort erinnerte an eine Westernstadt, da hier auch irgendwie etwas mit Pferden los zu sein scheint. Irgendwie deutet alles auf Pferde und Reiten hin.
Wir saßen nach dem Einkauf im Gebäudeschatten des Supermarkts, die Roller wie immer an die Wand gelehnt. Unglaublich oft wurden wir angesprochen. Das heißt, wenn in zwanzig Minuten drei Leute vorbeigekommen waren, so gab es mit jedem ein längeres Gespräch. Frederic fiel auch auf, dass das sehr anders ist als bei ihm zuhause. In Paris ist es wie in Wien. Die Leute schauen nicht einmal oder sie schauen und schweigen. Hier in Kanada ist es durchwegs so, dass sie fröhlich mit einem reden. Sofort und unverkrampft, so als kenne man sich schon ewig.
Fahrt nach Drumheller
Wir schwangen uns dann auf unsere Rösser, eh, Tretroller, und genossen weiterhin den Rückenwind. Unser Ziel hieß Drumheller. Auch wenn die Fahrt aufgrund der Hitze und auch der Länge und immer wieder der langgezogenen Steigungen anstrengend war, so war es doch sehr erbaulich, wenn man am Tacho ständig 22 oder 23 km/h hatte. Die Sonne stand noch sehr hoch als wir die letzten Wegweiser nach Drumheller erblickten.
Nur, wo war denn Drumheller? War das etwa ein so kleiner Ort, dass wir ihn übersehen hatten und einfach vorbei gefahren waren? Da kam jetzt nichts mehr in dieser endlosen Ebene. Ich sah kein Haus vor uns, weit und breit. Josef war nicht in der Weise verunsichert wie ich. Kaum war ich in meiner kleinen Verzweiflung, ging es völlig überraschend bergab, quasi in die Erde hinein. Wir fuhren in einen Canyon. Donnerwetter! So etwas hätte ich nur in den USA erwartet, aber nicht hier. Das war vielleicht beeindruckend. Die Straße ging lange mit etwa 6% Gefälle runter. Sie war nicht schnurgerade, sondern machte spannende Kurven. Der starke Fahrtwind kühlte uns angenehm und endlich waren wir wieder schnell wie einst in den Bergen.
Dann fuhren wir in das Städchen, das im Canyon lag, ein. Alles gab es hier, vor allem Dinosaurier. Da erinnerte ich mich, dass Josef einmal etwas erzählt hatte von Knochenfunden und einem tollen Museum. Aber das hier war ganz anders als in den abstrakten Bildern, die ich aufgrund seiner emotionslosen Schilderungen hatte. Dieser Ort war ein einziger Dino-Ort. Vor den meisten Geschäften waren Dinosaurier-Figuren abgestellt. Souvenierläden gab es und Hotels mit irgend einem Dino-Schwerpunkt. Wir fuhren als erstes den Mc Donald’s an. Dort gab es Cola zum Nachfüllen um einen Dollar und WLAN. Ich nahm mir noch zwei Hamburger dazu. Wie eigentlich jedesmal im Kanadischen Mc Donald’s sitzen angehäuft Leute augenscheinlich sehr geringen Einkommens beieinander. Mir fiel jetzt ganz besonders auf was mir bei den anderen Lokalen auch auffiel. Da sind so um die acht Leute nebenander sitzend und belagern damit vier kleine Tische. Das Durchschnittsalter wird so bei 60 Jahren liegen und trotzdem sitzt ein Junger oder es sitzen zwei Junge dabei. Geredet wird wenig, konsumiert gar nichts. Zwei Leute von den acht haben einen Becher bei sich. Komisch.
Quartiersuche und Riesendinosaurier
Zeit hatten wir genug. Josef, der sich nichts aus Mc Donald’s macht, ging zwischendurch für sich Lebensmittel für morgen kaufen. Gemütlich gingen wir dann auf Campingplatzsuche. Da kamen wir am Touristenzetrum vorbei. Ein übergroßer Dino war da, wirklich riesig. Man konnte in seinem Inneren hoch gehen und aus dem Maul heraussehen. Von hier oben sah man fast in die ganze Stadt. Umgekehrt sah man den Dinokopf auch von nahezu überall. Wir gingen nicht rauf, da man dafür auch bezahlen musste, aber ein paar Fotos machten wir von dort.
Dann gings zum ersten Campingplatz, dann zum zweiten. Beide waren so unflexibel und beriefen sich auf ihre Bestimmungen, denenzufolge man pro Zelt bezahle und nicht pro Zeltplatz. Obwohl wir drei Mini-Zelte hatten, hätten wir pro Nase 48 Doller plus Steuern bezahlt. Unmöglich! So fragten wir in Motels nach. Ausgebucht. Ja, klar, der Ort war eine einzige Touristenattraktion und es war Sommer. Plätze waren rar und teuer. Dann fanden wir aber doch ein Motel und zahlten 52 pro Person, hatten aber ein richtiges Zimmer, eine Dusche, was uns extrem wichtig war, und WLAN. Ja, Frühstück gab es auch noch und das Tollste: wir brauchten kein Zelt auf- und abbauen.
Motel und Abendspazierfahrt
Hier zogen wir ein und wurden Mensch. Ins Museum wollte eigentlich nur ich gehen. Frederic und vor allem Josef waren schon mit den Vorbereitungen zum Schlafengehen beschäftigt, dabei war es 19:15. Das Museum hatte bis 21:00 offen. Also fuhr ich alleine los, auch um Fotos vom Örtchen und dem Canyon zu machen. Meinen Rucksack hatte ich auch mit, um Einkäufe zu tätigen. Frederic trug mir auf, Mineralwasser mit Gas(!) zu kaufen. Josef hingegen hatte schon alles.
Zum Museum kam ich nie. Ich folgte den Pfeilen, fuhr locker ohne Sturzhelm den kurzen Weg, und dann stand irgendwann, dass es noch 6km wären. Das ist wieder einmal typisch. Der ganze Trubel ist in der Stadt und dann bauen sie das Museum nicht am Stadtrand, sondern ganz wo anders. Ich sah, dass es so eine Art Dino-Erlebnisstraße gäbe für die nächsten 48km. Wahnsinn, in welchen Dimensionen die so denken und leben.
Ich fuhr nur zwei Kilometer. Dann drehte ich wieder um. Es wäre sich ausgegangen, doch hätte ich im Museum mitunter gar nicht fotografieren dürfen und Licht für die Heimfahrt hatte ich auch keines. Dann musste ich ja noch einkaufen und schließlich auch ins Bett. So fuhr ich zu Mc Donald’s. Dort musste es einen Supermarkt geben, da Josef dort war. Ich fand ihn aber nicht, also ging ich zur verhältnismäßig teuren Tankstelle. Dort fand ich wenigstens Mineralwasser mit Gas für Frederic. Für mich fand ich nur zwei zuckersüße Desserts. Zucker ist immer gut. Aber etwas G’scheites war das nicht. So belohnte ich mich für die Irrfahrten mit einem Big Mac Menü bei Mc Donald’s. Ein paar gute Bilder schoss ich auch. Ich war zufrieden.
Der Wecker war auf 06:00 gestellt, da es morgen um 07:00 losgehen würde. Frederic lag diesmal am Boden und ich hatte ein Bett. Umziehen, schlafen gehen, einschlafen.
Es gibt viele Witze, was ein T-Rex nicht kann (z.B. bettenmachen). Aber auf einem Tretroller kann ich ihn mir gut vorstellen 🙂 Das wäre doch ein Maskottchen.
Lg an den Rückenwind und Danke für das dreifache Lesevergnügen heute morgen.
Am anderen Ende der Welt treibt sich noch ein Kollege durch eintönige Weiten. Heute hatte ich das Glück, bei beiden Blogs mitzulesen: https://zielmongolei.wordpress.com/2016/07/19/yekaterinburg-omsk/
Skandal in der Kickerszene (nein nicht Fussball, Dummy)!
Nicht einmal Österreich* könnte sich das aus den Schreiberfingen saugen!
Wie lange will er uns noch narren …
wie der Redaktion aus verlässlichen Quellen zugespielt wurde (engster Freundeskreis des „Athleten“) …
der beschäftigt mindestens 3 (drei) sogenannte Ghostwriter und eine, für das Kickerteam unsichtbare**, begleitende Gruppe von mindestens 2 (zwei) Photographen.
Besonders fällt auf dass GP anscheinend nie trinkt, nur tote Materie (McD) zu sich nimmt und nie xxxxxxxx (ausser in den Anfängen seiner „Reportagen“) und auch nie schläft, wie bereits in einem Blogbeitrag von H.W.A. angedeutet wurde!
Wie soll das alles enden! In wenigen Wochen, bei seiner Ankunft an der Ostküste, werden wir ihn und seine mittretenden Mitverschwörer dringend um Aufklärung bitten müssen! Wenn er sich da nur nichts eintritt!
* ein äusserst seriöses Gratismassenblatt in der österreichischen Zeitungslandschaft
** (das aus der Psychologie wohlbekannte Phänomen des Blinden Flecks)
…
Lieber Guido!
Danke und Gratulation für deinen ersten Kanada-1000er. Viel Kraft und Freude für die letzten knapp 4000.
Karl