Titelbild Monster van Brabant 2018

Beim fünften „Monster van Brabant“, einer ultralangen Tretroller-Tour, waren diesmal erstmals auch Deutschland und Österreich vertreten. War das „Monster“ zu bezwingen? Über 230 Kilometer durch das niederländische Nordbrabant? Eine große Gruppe Gleichgesinnter durfte die Schönheit der flachen Lande genießen, bei Sonnenschein und ohne Wind. Am Ende waren alle Sieger.

Galerie

 

Was ist das „Monster“?

Plakat vom "Monster 2018" (c) René de Jong

Plakat vom „Monster 2018“
(c) René de Jong

Das einstige Herzogtum Brabant erstreckte sich über Teile des heutigen Belgien und der Niederlande. Die niederländische Provinz Nordbrabant erinnert noch an das geschichtsträchtige Herzogtum. Im Örtchen Sprang-Capelle ist der Tretrollerverein „Stepteam BrabantsBont“ ansässig. Zum nunmehr fünften Mal fand das „Monster van Brabant“ statt. Das „Monster van Brabant“ ist eine 230 Kilometer lange Tretrollerausfahrt durch die teilweise unter dem Meeresspiegel liegende Provinz Nordbrabant. Das „Monster“ findet alle zwei Jahre statt, einmal wird die Runde im Uhrzeigersinn gefahren, einmal gegen den Uhrzeigersinn. In diesem Jahr wurde gegen den Uhrzeigersinn gefahren.

Der Name Monster ist mehrfach zu deuten. Unbestritten ist es eine Monster-Tour, über 200 Kilometer am Tretroller zu fahren. Dann aber ist die Streckenführung auch so, dass die Tour auf einer Landkarte einem Dinosaurier oder eben einem Monster gleicht. Gijs de Geus organisiert diese mittlerweile zur Tradition gewordene Tour. Die Planungen gingen über ein ganzes Jahr. Sein Einsatz und der Einsatz eines großen Teams sollte belohnt werden mit einer perfekt organisierten und unvergesslich schönen Tour oder, wie man auf Niederländisch sagt, Tocht.

Verrückt!

Bahnhof Wels. Bepacken des Autos. (c) David Pasek

Bahnhof Wels. Bepacken des Autos. (c) David Pasek

Verrücktes zieht das Team Austria an. Verrückt ist es nämlich, freitags 1.230 Kilometer mit dem Auto anzureisen, um samstags um 0:00 Uhr den ersten Kick zum Monster van Brabant zu machen, 18 Stunden lang am Trittbrett zu sein, um sonntags dann wieder 1.230 Kilometer mit dem Auto heim zu fahren. „Klingt gut“, sagt sich zuerst Guido, dann Jurek und schließlich David, vor allem, wenn man montags dann wieder arbeiten müsse.

Gesagt, getan. Nach einer komplikationsfreien und doch längeren Fahrt kommen die drei Österreicher in Waalwijk an. Schnell ist der Treffpunkt, nämlich der örtliche Sportverein, gefunden. Es ist 22 Uhr und die Hitze des Tages ist entschwunden. Der Wetterbericht verheißt optimale Bedingungen. 10 Grad minimal während der Nacht und 22 Grad maximal während des Tages, vor allem aber null Prozent Regenwahrscheinlichkeit und kein Wind. Vorfreude mischt sich mit Müdigkeit. Noch zwei Stunden bist zum Start.

Waalwijk

Team Austria mit Gijs de Geus und Plakat (c) André Thiemann

Team Austria mit Gijs de Geus und Plakat
(c) André Thiemann

Am menschenleeren nächtlichen Parkplatz entdecken sie André Thiemann aus Deutschland. Herzliche Begrüßung und Geblödel. In der Cafeteria des Sportvereins war Leben. Die vier Deutschsprachigen betreten das belebte Haus. Sofort kommt Gijs, Vater der Veranstaltung, mit einem Plakat, das er aufhängen will. Große Freude beim Kennenlernen. Für die Veranstalter ist es eine große Auszeichnung und Ehre, ihr Tour so international besetzt zu wissen. Fahrerinnen und Fahrer kommen nicht nur aus dem eigenen Land, sondern auch aus Belgien, Deutschland, Italien und eben Österreich.

Man wird von allen hier herzlich willkommen geheißen. Im sehr großen und modernen Gebäude gibt es zahlreiche Umkleideräume und Duschen, alles speziell für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Kaffee wird getrunken und geplaudert. Nach und nach tröpfeln immer mehr Aktive ein. Am Ende sind es vier Damen und 23 Herren. Rodger Hulsebos, Teilnehmer von Kickdistance2018 Ende Juni, ist auch dabei. Nun lernen einander Rodger und Guido endlich persönlich kennen.

Die Stunde Null naht zunehmend schnell. Geschäftig werden die Roller zusammengebaut, Trinkflaschen angefüllt und Pannenwesten übergezogen. Die hellen, reflektierenden Westen sind Vorschrift, genau wie Beleuchtung am Roller und Radhelm am Kopf. Letzte Instruktionen von Gijs. André versteht Holländisch und übersetzt den Österreichern das Wichtigste. Rodger kann sich sehr gut auf Deutsch verständigen, wie überhaupt die meisten hier auch Deutsch können.

Start

Die Roller stehen bereit... (c) René de Jong

Die Roller stehen bereit… (c) René de Jong

Startaufstellung am Parkplatz. Alles leuchtet, einige Roller haben zusätzlich bunte LEDs in den Rädern. Zwei Fahrräder sind dabei als Pacemaker und Begleitung, drei Transporter begleiten die Tour. In einem Transporter sind Technikteile und Laufräder, in einem anderen persönliche Wichtigkeiten, wie Essen und Bekleidung. Der dritte Transporter ist ein Bus für den Personentransport. Er dient jenen, die nicht mehr weiterfahren können oder wollen als Hort des entspannten Reisens. Ein Bus hat auch einen Anhänger mit einer mobilen Toilette. Vor einigen Jahren gab es das noch nicht beim Monster und es stellte sich als Problem heraus. Tatsächlich sollte diese Toilette so einigen Trittbrettfahrern noch freundlich dienen. Startschuss auf die Sekunde genau um 0:00 Uhr. Fahrradklingeln ertönen, Gejubel, Applaus von der großen Gruppe freiwilliger Helferinnen und Helfer.

Vorne fährt ein Mountainbiker und hält die Geschwindigkeit wie ein Metronom, lange Zeit 18,6 km/h. Vor allem für die weiter hinten Fahrenden ist dies angenehm, denn es gibt Windschatten und kein Beschleunigen oder Bremsen. So fährt man zunächst durch Waalwijk Richtung Breda. Anders als in Wien sind hier Straßen und auch Radwege nicht asphaltiert sondern aus Klinkersteinen. Radwege gibt es überall und sie werden auch von uns verwendet, selbst wenn man ab und zu umständlich die Straßenseite wechseln muss.

Am Start (c) René de Jong

Am Start (c) René de Jong

Anders als letztes Jahr beim Elfstedentocht ist es in den Nachtstunden nicht leise. Es wird geplaudert und gelacht. In Zweierreihen, manchmal auch zu dritt nebeneinander, bewegt sich der Peleton mit konstanter Geschwindigkeit durch die Nacht. Selten ist es stockfinster. Offenbar folgt ein kleiner Ort dem nächsten. Die Straßen sind beleuchtet und es leuchten auch die Zeiger und die zwölf Stundenstriche der Kirchturmuhren goldgelb, nicht jedoch die Zifferblätter. Hier mag sich ein Vertreter für Kichturmuhrenbeleuchtung wohl eine goldene Nase verdient haben.

Der Peleton ist nicht lange, ein kompakter Knäuel Tretrollerfahrer. Die Österreicher unterhalten sich mit Holländern auf Deutsch, mit Nino aus Italien auf Französisch und Englisch, wortweise auch auf Italienisch. Eine große, fröhliche Familie.

Erste Pause

Erste Pause (c) David Pasek

Erste Pause (c) David Pasek

Kurz nach Oosterhout gibt es die erste Pause, genau wie der Plan es vorsah, alle 25 Kilometer eine kurze Pause und nach 100 und nach 200 Kilometern eine längere Pause von bis zu einer Stunde. Hatte man es nicht schon zuvor erkannt, so ist spätestens jetzt klar, wie gut die Organisation funktioniert. Beim Anfahren des Parkplatzes stehen bereits Kaffee und Kuchen bereit. Für alle ist genug da, auch ist alles gut beleuchtet. Wer jetzt schon muss, kann die mobile Toilette benützen. Einige verrichten die kleine Notdurft einfach im dunklen Gebüsch. Guido gratuliert Rodger zu den ersten 4%, in Anlehnung an Kickdistance2018, wo an dieser Stelle, also nach etwa 25 Kilometern erst vier Prozent der gesamten Distanz gerollert wären.

Nach gefühlten zehn Minuten geht es weiter. Der heiße Kaffee schmeckte nicht sonderlich, doch wärmte er. Schnell ist es wieder kalt. Die prognostizierten zehn Grad in der Nacht entpuppen sich als 5 Grad. Die drei Begleitfahrzeuge sind nie weiter entfernt als hundert Meter. Immer sind sie nahe dem Peleton, obwohl die Radwege oft wilde Haken schlagen. Es wirkt als werde viel mehr links abgebogen als rechts.

Zweite Pause (c) Guido Pfeiffermann

Zweite Pause (c) Guido Pfeiffermann

Auf einmal steht die Gruppe an einem Straßenende. Falsch abgebogen, wieder zurück. Zwei oder drei Kilometer überflüssig gekickt. Macht aber gar nichts. Lange dauert es nichts und bei Kilometer 56 wird wieder pausiert. Die Durchschnittsgeschwindigkeit in Bewegung ist immer noch exakt bei 18,6 km/h. Es ist drei Uhr in der Nacht. Alle Müdigkeit ist verflogen. Das Thema ist eher die Kälte. Man bekommt nun Kaffee, aber auch heiße Suppe. Hervorragend, woran die Organisatoren so alles dachten. Diese zweite Pause ist wie die erste. Man findet sich sofort zurecht. Man weiß, wo der Mistsack hängt und wo man die Trinkflaschen nachfüllen kann. Bei jeder Pause gibt es dieselben Anflüge von Stress, da man kleine Karten bei sich hat, die von Gijs an jeder Station, also bei jeder Pause, abgestempelt werden. Das Abstempeln ist eigentlich ein Lochen. Gijs stanzt Sterne in die kleine rot weiß karierte Flagge von Brabant.

Nächtliche Kälte

André war bis jetzt kurz-kurz gefahren. Das Team Austria fuhr von Anfang an mit langen Ärmeln, jedoch kurzen Hosen. Nach dieser Pause fährt man ein wenig verlängert weiter, André mit langen Ärmeln, David mit langer Hose. Eine richtige Entscheidung. Der Fahrtwind kühlt dann doch ein wenig, während man aufgrund der Bewegung nicht auf Betriebstemperatur kommt. Die Pulsuhren zeigen mehr oder weniger bei allen eine Herzfrequenz von um die 100 Schläge pro Minute.

Erster Defekt nach genau 42 Kilometern. (c) David Pasek

Erster Defekt nach genau 42 Kilometern. (c) David Pasek

Die nächste Pause in Zundert erfolgt nach 82 Kilometern. Diese Pause war tatsächlich schon herbeigesehnt, nicht wegen Müdigkeit oder Schmerzen. Die Kälte ist es. Sobald der leichte Fahrtwind weg ist, spürt es sich schon angenehmer an. Das Team Austria hatte sich zu sehr auf die 10 Grad Minimaltemperatur verlassen. Jetzt gibt es wärmenden Kaffee und wieder Kuchen, dazu auch Bananen. Wirklich genau das Richtige. Die Stimmung ist anhaltend gut. Keine Spur von Lähmung durch Nachtstunden. Bald muss es geschafft sein und der Himmel würde sich durch die aufgehende Sonne erhellen und all die kühlen Körper erwärmen.

Frühstück in zwei Ländern

Kurz nach der Pause gibt es den ersten Patschen. Überhaupt kein Problem. Nach zwei Minuten ist das Laufrad getauscht und die Gruppe bewegt sich tretend weiter. In Baarle Hertog kommt nun die erste richtige Pause. Der Tacho zeigt 111 Kilometer, knapp die Hälfte ist zurückgelegt. Die Sonne zeigt sich bereits. Morgennebelschwaden durchziehen die flache Landschaft. So richtig stellt sich die erhoffte Wärme nicht ein. Es ist heller und freundlicher, doch nicht erkennbar wärmer.

Zeit für eine warme Suppe (c) Guido Pfeiffermann

Zeit für eine warme Suppe (c) Guido Pfeiffermann

Eine Suppe wartet auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer und zwar in der warmen Stube des örtlichen Fußballvereins. Dies alles wurde vom Stepteam BrabantsBont organisiert und bezahlt. Brot und Suppe gab es nun, nicht wie zuvor in Kunststoffbechern, sondern in richtigen Suppenschüsseln. Aufwärmen von innen und von außen. Bemerkenswert an jenem Ort ist, dass der Fußballclub genau an der belgisch-niederländischen Grenze liegt. Der Handlauf in der Mitte des Stiegenaufgangs markiert die Grenzlinie der beiden Länder.

David gibt sich dem Power Nap hin und kickt danach als ginge es gerade erst los. Beim Treppabgehen merken die Bezwinger des Monsters, dass die 111 Kilometer bereits Wirkung zeigen. Ein wenig hölzern sind die Bewegungen, wenig geschmeidig. Nun ist es tatsächlich wärmer und die Beleuchtungen sind längst verschwunden. Sonnenbrillen werden aufgesetzt. Der Wetterbericht hatte also doch recht.

Der Morgennebel verschwindet (c) David Pasek

Der Morgennebel verschwindet (c) David Pasek

Der Reiseschnitt sinkt ein wenig zunächst auf 18,5 und dann auf 18,4 km/h. Dies stört gar nicht. Die Belastung ist subjektiv immer dieselbe. Die meisten der Leute fährt nun ohne Helm. In den Niederlanden ist das Tragen eines Helms nur in der Nacht Pflicht. Gewöhnungsbedürftig ist, dass die Fahrradwege auch von Mopeds benützt werden dürfen und die Radwege in beide Richtungen befahren werden. Auch die Mopedfahrer tragen nun keinen Helm, fahren nicht selten mit 40 km/h auf den Peleton zu und ziehen sehr knapp daran vorbei. Der Mountainbiker, der den Tretroller-Peleton anführt hat eine Trillerpfeife und benützt diese oft und gerne, entweder wenn Gegenverkehr kommt oder aber gefährliche Hindernisse am Weg sind. Meist sind es Verkehrsinseln, Steher oder künstliche Bodenwellen. Er macht seinen Job sehr gut. Wie ein Schafhirte achtet er, dass alle beisammen bleiben, sich selbst nicht gefährden oder andere gefährdet werden könnten.

Ein kleiner Sturz

(c) StepTeam BrabantsBont

(c) StepTeam BrabantsBont

Trotzdem kommt es unverhofft zu einem Sturz eines holländischen Fahrers. Sehr plötzlich liegt er am Boden und schlägt sich Nase und Kinn blutig. So schnell wie beim Laufradwechsel ist sind auch schon zwei Betreuer hier und verarzten den helmlosen Kameraden. Nach etwa fünf Minuten geht es wieder weiter und zwar mit ihm. Der Sturz war nicht so schlimm. Erwähnenswert ist, dass dies der einzige Sturz bleiben sollte und es insgesamt auch nur drei Patschen geben sollte.

Es wird immer munterer, immer lebhafter. Der Tag ist gekommen, in seiner vollen Breite. Sämtliche Nebelschwaden sind verschwunden, die Sonne scheint kräftig, der Himmel ist strahlend blau. Kein Wind, kein Lüftchen, Düfte in den kurzen bewaldeten Gebieten, Jauchegerüche von pflanzenfressenden Tieren, Bauernhöfe, Backsteinziegelbauten, liebevoll gepflegte Vorgärten, Vogelgezwitscher, Schafe, Pferde, Kühe, ebene Landschaft in alle Richtungen. Die meiste Zeit sind die Radwege leicht holprig, weshalb alle über zumindest leichte Schmerzen in den Handgelenken oder an den Handflächen klagen.

Der Sommer ist da!

(c) StepTeam BrabantsBont

(c) StepTeam BrabantsBont

Nächster kleiner Stop in Tilburg, mittlerweile 131 Kilometer am Tacho, also wohl nur noch 100 Kilometer zu fahren. Es wird an einem Kanal angehalten, mittlerweile brennt die Sonne schon richtig herunter. Viele cremen sich mit Sonnenschutzmittel ein. Milchbrot gibt es und hartgekochte Eier, dazu je nach Gelüsten Säfte, Kaffee und Kuchen, Bananen und Äpfel. Ein herrlicher Sommertag im April. Man vergisst gerne Schmerzen in den Handgelenken oder sonstige Folgen der Dauerbelastungen, wenn der Tag so schön ist.

Weiterfahrt. Leben auf den Straßen. Leute jubeln immer wieder zu, entgegenkommende Radler grüßen. Geläute mit den Klingeln. Plaudereien unterwegs. Die Durchschnittsgeschwindigkeit bleibt sehr lange bei 18,4, sinkt dann aber auf 18,3. Die nächste Pause ist nun in Best. Hier sucht man nach schattigen Plätzen. Orangensaft wird ausgegeben, in 0,5-Liter-Plastikflaschen, sehr zuckerhältig, eher von der ungesunden Truppe. Dies tut der superguten Stimmung keinen Abbruch. Trotz Müdigkeit wird geplaudert und gescherzt. Die Pausen laufen immer nach demselben Schema ab. Ohne Kommando gehen alle zu ihrem Roller, setzen ihren Helm auf, so sie einen haben, der Mountainbiker steht vorne, Gijs gibt das Zeichen zur Weiterfahrt und schon bewegt sich die Trittbrettgruppe. Genau 170 Kilometer zeigt der Tacho. Das Ziel ist irgendwie schon recht nahe.

Eigentlich ganz locker…

(c) David Pasek

(c) David Pasek

Eigenartig wie sich plötzlich Distanzen und Proportionen verschieben. Es sickert durch, dass die Route etwas länger sein würde als in den Jahren zuvor, also etwas mehr als 230 Kilometer. Einmal hatte man sich auch verfahren und es kam zu zwei oder drei Zusatzkilometern. Mit 65 bis 70 Kilometern hatte man jetzt noch zu rechnen. Eigentlich sehr wenig, da 170 schon hinter den Pedallosen lagen. Die Frage ist nun, welche Menschen sind das eigentlich, die sich so etwas antun. Sind es Übermenschen oder einfach nur Grenzgänger? Nein, ganz sicher nicht.

Bis auf wirklich wenige Ausnahmen wirken die Teilnehmerinnen und Teilnehmer überhaupt nicht wie Sportler. Bäuchlein manchmal oder sogar erkennbares Übergewicht. Eine der vier Frauen berichtet in einem der Gespräche während der Fahrt, dass sie immer nur am Wochenende mit dem Tretroller fährt und dann Distanzen von zirka 25 Kilometern zurücklegt. Das ist dann schon phänomenal, wenn jetzt am Stück mehr als 230 Kilometer gefahren werden. Wie ist das zu erklären? Wohl nur schwer. Gewiss ist es ein Vorteil, wenn es keine Steigungen gibt. Trotzdem ist man sehr lange unterwegs. Das Team Austria stellt fest, dass es vielen doch etwas schwerer fällt, da sie näher an ihrer persönlichen Grenze sind als die drei gut trainierten Österreicher. Es wird sich zeigen, dass alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer ins Ziel kommen und die gesamte Strecke gefahren sein werden. Dies liegt an der gut gewählten Geschwindigkeit.

Mittagspause

Mittagspause (c) StepTeam BrabantsBont

Mittagspause (c) StepTeam BrabantsBont

Hunger! 14:30 ist es mittlerweile. Es folgt die zweite große Pause. 197 Kilometer, Sint-Oedenrode. Wieder ein Fussballplatz, wieder alles für die Sportlerinnen und Sportler reserviert. Es gibt Makkaroni und ein Kaltgetränk dazu. Die deutsch-österreichische Allianz trinkt Bier, während alle anderen zu Cola oder Fanta greifen. Das Naserümpfen einiger holländischer Kameraden verwundert die vier Deutschsprachigen. Es ist nur ein kleines Bier und leicht obendrein. Das Naserümpfen ist kurz und schlägt keine Wellen. Genuss der Sonne und der Wärme, Facebook-Stati aktualisieren, Fotos hochladen. Fotos und Filmsequenzen werden vom Begleitfahrzeug aus immer wieder gemacht, möglicherweise insgesamt zu wenige. Man wird noch sehen. Am Fußballplatz ist viel los. Die Roller werden bewundert und es wird gefachsimpelt.

Aufbruch. Nur noch eine kleine Pause sollte kommen, um den ultimativ letzten Abschnitt zu rollern. Zugegeben merkt man nun schon die 200 Kilometer, doch geht es immer noch flüssig dahin. Die Geschwindigkeit bleibt. Warm ist es, sehr warm. 27 Grad. Zickzack geht es immer wieder. Fallweise wird jetzt innerhalb der Gruppe überholt, manchmal wird auch das Mountainbike überholt, was an sich verboten ist und zur Disqualifikation führen kann. Aber nach 200 Kilometern wird nichts mehr ganz so streng genommen.

Lokales Fernsehen

Fernsehaufnahmen (c) René de Jong

Fernsehaufnahmen (c) René de Jong

Schon wieder Pause? Gerade einmal 12 Kilometer nach der Mittagspause? In einem Ort namens Boxtel fahren wir von der Straße ab auf eine Wiese. Dort steht ein rot-weiß karierter Bus. Schnell ist klar, dass das lokale Fernsehen herbestellt worden war. Eine sehr lebhafte und spaßige Reporterin interviewt zwei, drei Fahrer, um dann Gijs etwas länger zu befragen. Die Reporterin schnappt sich einen Roller und fährt drauflos. Ob dies ihre ersten Meter sind? Wohl kaum. Sie stellt sich sehr gut an und fährt überraschend schnell. Kann natürlich gut sein, dass alle Hölländer mit Fiets (Fahrrad) und Step (Tretroller) vertraut sind. Speziell für die Kamera fahren wir ein paar Runden um den Bus des TV-Senders und ebenso für die Kamera dann ein längeres Stück gerade. Mit Geklingel verabschieden wir uns vom Team, um die Tour fortzusetzen.

Dritter und letzter „Patschen“

(c) StepTeam BrabantsBont

(c) StepTeam BrabantsBont

Auf einer längeren Geraden entlang unendlicher Wiesen erfolgt der letzte Patschen. Diesmal ist Rodger der Pechvogel. Nach einer gefühlten Minute geht die Fahrt weiter. Unweit der Nordbrabantischen Hauptstadt ’s-Hertogenbosch, nämlich in Helvoirt, wird ein letztesmal ein Parkplatz angefahren. Ein letztesmal werden die Kontrollkarten gestanzt. Einmal noch trinken und Trinkflaschen auffüllen. Gijs erklärt wie er sich das Finale vorstelle. Kurz vor dem Sportverein würden wir alle stehen bleiben und uns sammeln. Danach würde eine Reihenfolge ausgelost und im Abstand von 10 bis 15 Metern würde einer nach dem anderen ins Ziel fahren. Jeder sei schließlich Sieger und jeder habe das Recht, als Sieger durch das Ziel zu fahren. Ein schönes Bild! Ein krönender Abschluss.

Am Ziel

Nino im Ziel (c) StepTeam BrabantsBont

Nino im Ziel (c) StepTeam BrabantsBont

Bald sind 230 Kilometer überschritten, bald auch 235. Oh, das Jahr 2018 gilt als das „Maximonster van Brabant“. Es kommt wie es kommen muss und schon ist die Stelle erreicht, wo angehalten wird. Auf ein Verlosen der Reihenfolge wird verzichtet und einzeln wird gemütlich über die Ziellinie gefahren. Etwa zwanzig Zuschauer haben sich eingefunden. Frenetischer Applaus, Fotos. Gratulationen und Umarmungen der Finisher am Parkplatz des Sportvereins.

17:45 ist es nun. Die reine Fahrzeit laut Garmin ist 13 Stunden und 14 Minuten, demnach eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 18,2 km/h auf die satellitengenau protokollierten 240,29 Kilometer. Kaum zu glauben, aber die Pausen und Unterbrechungen sind dann in Summe 4,5 Stunden. Reibungslos war alles abgelaufen, „rückstandslos“ sei die Fahrt, meinen die drei Herren vom Team Austria. Welch Glück. Das Monster ist besiegt! Nun stehen uns die Duschen und Umkleideräume zur Verfügung. Wenn alle fertig sind, gibt es die Siegerehrung und geselliges Zusammensein.

David, Jurek, André, Guido (c) Guido Pfeiffermann

David, Jurek, André, Guido (c) Guido Pfeiffermann

Die Österreichischen Roller verschwinden im Auto. David vermisst seinen Rucksack mit Jeans, Schuhen und allerhand anderer wichtiger Gegenstände. Im Umkleideraum 2 hatte er ihn abgestellt. Dort feiert jetzt die Mannschaft eines Blindenvereins ihren Sieg. Der Rucksack ist nicht mehr hier. Ziemlich bizarr, Blinde zu fragen, ob sie den Rucksack gesehen hätten, obendrein niederländische Blinde. Trotz Siegestaumels antworten sie vernünftig und auf Englisch. In die Umkleide 7 hätten sie ihn gegeben. Leider ist er dort auch nicht. Alle Umkleideräume werden durchsucht. David findet den Rucksack erst als die Zeremonie schon begonnen hat. Alles geht sich blendend aus. Jeder Finisher erhält eine handgeschriebene Urkunde und ein Handtuch, das mit dem „Monster van Brabant“-Logo bestickt ist. Biertrinken, Freude, Lachen, Gratulieren, Gemeinschaftsfoto. Es ist eine große, sehr nette Familie. Das Abschiednehmen fällt schwer. Jedes letzte Gespräch ist nicht endenwollend. Gijs wird jetzt so richtig locker. Er war wirklich schwer im Einsatz die letzten 20 Stunden, die letzten Wochen, die letzten Monate. Er wirkt sichtlich ergriffen und gerührt und erklärt den Österreichern in ausschmückenden Worten, wie geehrt er sich fühle über die internationale Beteiligung und wie sehr er zu schätzen wisse was die lange An- und Abreise bedeute.

(c) Guido Pfeiffermann

(c) Guido Pfeiffermann

Nach dem allerletzten „Good Bye“ geht es für das Team Austria ins Hotel und dann noch zum Abendessen in eine Pizzeria. Wie es der Zufall so will, ist dort Nino, der italienische Tretroller-Freund. Gemeinsam werden die Gute-Nacht-Pizzen verdrückt. Danach geht es ab ins Hotel, ab ins Bett, ab in das Land des verdienten Tiefschlafs. Am nächsten Morgen herrscht Dankbarkeit, dass niemandem etwas geschehen war. Keine technische Panne, keine körperlichen Probleme, kein Unfall. Nach dem Frühstück erfolgt die Heimfahrt ohne Zwischenfälle und einer großen, kollektiven Zufriedenheit und Freude über das Erlebnis „Monster van Brabant“.

Weiterführende Links

Homepage des Veranstalters StepTeam BrabantsBont:
http://www.stepteambrabantsbont.nl/sbb/

TV-Bericht:
https://www.youtube.com/watch?v=EOhZxtZTcdk&t=4m17s

Garmin-Protokoll David Pasek:
https://connect.garmin.com/modern/activity/2641027785

Garmin-Protokoll Guido Pfeiffermann:
https://connect.garmin.com/modern/activity/2646105669

Garmin-Protokoll Jurek Milewski:
https://connect.garmin.com/modern/activity/2644317510

0 Kommentare

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.