Die Überschrift ist ein schöner aequivoker Reim. Eigentlich wollte ich etwas Sinniges schreiben, da wir zunächst in „hope“ waren und dann in „married“, zumindest phonetisch. Ich muss heute ins Philosophische gehen, da wir nur den Higway entlang fuhren. Trotzdem war der Tag nicht unspannend.
Morgengedanken
Der Tag begann mit einer kurzen Fahrt mit dem gepäckleeren Chuck Norris zu Toilette und Waschraum. Dort rasierte ich mich. An sich wäre es ja ein toller Anlass dieser Abenteuerreise mit einen Abenteurerbart wachsen zu lassen. Die vielen weißen Barthaare lassen mich aber alt aussehen. So überlasse ich das Bartwachsen Petr, der es ausprobieren möchte. Er will wohl älter aussehen und ich jünger. So treffen wir uns dann optisch vielleicht in der Mitte.
Das bringt mich dann auch gleich zu den unterschiedlichen Lebensaltern und der Inhomogenität der Gruppe. Alle Sorgen im Vorfeld waren unnötig. Ich merke nichts vom Altersunterschied. Das Gemeinsame schweißt ungemein zusammen. Viel stärker als erwartet ist es, dass wir uns bereits jetzt zu fühlen, als seien wir alle schon ewig befreundet. Das schafft noch mehr Verbindung und noch mehr Vertrauen. Ganz offenbar ist das ein Phänomen extremer Zwangsgemeinschaften. Mir gefällt das total.
Nach dem Schönmachen rollerte ich den Schotterweg zurück mitten in den lichten Wald, wo unser Platz war. Die anderen krochen aus ihren Zelten. Wir wünschten einander in der Muttersprache des jeweils anderen einen Guten Morgen. Es folgten Zeltabbau, Simultanfrühstück und Einpacken aller Gegenstände. Der Zeltabbau und das Einrollen und Verkleinern aller Campinggegenstände klappt bereits äußerst schnell und professionell. Ich staunte. Nur noch wenige Griffe sind zu optimieren. Was besser werden soll, merkte ich mir, um es beim nächstenmal besser zu machen. Der Herrgott, oder wer immer für das Wetter verantwortlich sein mag, meinte es extrem gut mit uns. Kein Regen in der Nacht und auch jetzt nicht. Ich wüsste nicht, wie ich als Ungeübter im Regen einpacken sollte, wahrscheinlich im engen Zelt sitzend. Ich würde verzweifeln. So aber packte ich dann alles im Freien ein, viel zu langsam, viel viel zu langsam. Für das Einpacken aller Teile brauche ich 20 Minuten, während das Abbauen und Verstauen des Zeltes in unter 5 Minuten geht. Offenbar muss ich mich noch von Gegenständen trennen, wahrscheinlich werden es meine neuen Laufschuhe. Bitter.
Abfahrt
Wirklich überpünktlich um 7:00 fuhren wir los. Schnell wurden beim Waschraum noch alle Flaschen mit Trinkwasser gefüllt und dann rollerten wir auch schon hinein in die 3. Etappe. Reichlich Höhenmeter standen am Programm. Die ersten kamen gleich nach den ersten zweihundert Metern. Bald mussten wir die Roller schieben. Sehr bald entledigte ich mich des Langarmshirts. So war ich der einzige Kurzärmelige. Irgendwie blieb mir der eher wenig bekleidete Oberkörper so etwas wie ein Markenzeichen heute. British Columbia wie in meinen Träumen. Wälder, frisch feuchte Luft, ab und zu LKW und Pick Ups, die uns entgegen kamen oder uns überholten.
Rauf auf die Autobahn!
Nach etwa 15 Kilometern wechselten wir auf die Autobahn. Das ist erlaubt hier in Kanada, sogar ausdrücklich. Der Pannenstreifen ist etwa 1,5 Meter breit und erfüllt eigentlich nur die Funktion eines Radweges. Links hat man eine weiße Leitlinie, rechts eine knapp einen Meter hohe Betonmauer. Bei Abfahrten sind dann Hinweistafeln, dass man möglichst lange am Streifen bleiben soll, um dann, wenn kein Auto komme die Abfahrt zu queren um die Fahrt fortzusetzen. Das machte irgendwie schon Spaß. Nach einer Weile fragte Frederic unseren ortskundigen Josef, wie lange wir denn hier fahren würden. „Bis Merritt“, war die Antwort. Waaaas? 100 Kilometer Autobahn? Damit hatte auch ich nicht gerechnet. Irgendwie machte das doch nun keinen Spaß!
Nun meinte ich, ich freue mich schon auf die erste Tankstelle, wo wir zumindest einen Kaffee einnehmen könnten. Josef wandte ein, dass das nur mit viel Glück so wäre. Er sollte recht behalten. Bis zum Schluss keine Tankstelle, kein Rasthaus. Es ist so völlig anders als bei uns in Österreich. Wir waren also auf unser Proviant angewiesen und vor allem auf unser Wasser. Ich hatte verdammt wenig mit.
Steiler und steiler wurde es. Bis auf mich schoben alle die Roller. Im Wohlfühltempo machte ich meine Kicks und zog immer weiter davon. Dann wartete ich auf die Drei. Je länger der Tag dauerte, desto eher war dann Josef bald bei mir und gemeinsam warteten wir auf die beiden anderen. Mir war wirklich nicht klar, wer mehr litt heute. Petr hatte schon morgens einen Muskelkater und klagte über Müdigkeit und Frederic wirkte echt sehr gequält und jeder seiner Schritte sah beschwerlich aus. Die beiden hatten für meine Verhältnisse sehr viel an, also doppelt Langarm, Frederic auch noch ein Tuch unter dem Helm. Dementsprechend soffen sie wie die Löcher und baten immer um Pausen. Bei den Pausen wurde es mir im Kurzarmshirt immer kalt. Ich trank nur schlückchenweise. Ewig kam ich mit der ersten Flasche auf.
Kälte im Juli
Warum es mir kälter wurde? Nun, wir stiegen auf über 1200 Meter hoch und es wehte ein sehr kalter Wind. Die Berge waren die ganze Zeit über stark in weiße Wolken gehüllt. Die Sonne kam nicht durch und stets hatte ich das Gefühl, es müsse bald ganz stark regnen. Am Morgen noch machte ich mir Gedanken zum Sonnenschutz und packte mir die Sonnencreme eigens griffbereit ein. Jetzt wünschte ich mir geschlossene Handschuhe, ein Stirnband, Socken und geschlossene Schuhe. Ich fahre ja als einziger mit offenen Sandalen, was ja nicht gerade sportlich aussieht, allerdings gemütlich ist und ich mir nicht vorstellen kann, so Blasen zu bekommen.
Vor einem Tunnel wartete ich dann gefühlte 20 Minuten. Zuvor war ein wirklich knackiger, sehr langer Anstieg. So steile Autobahnen wie hier gibt es in Österreich auch nicht. Immer wieder Kettenanlegeplätz. Keine Serpentinen, einfach nur gerade hinauf, ständig steil. Da stand ich nun und zog mir die Regenjacke über als Windschutz. Den Vorsprung nützt ich um ein paar kleine Bissen von Keksen zu nehmen oder von Brot, auch setzte ich mich gerne als Fotograf ein. Abgekämpft kamen sie nun an, waren völlig am Ende, ich meine jetzt Frederic und Petr. Wir hatten 40 Kilometer zurückgelegt und waren knapp 4 Stunden unterwegs. Nun begannen die Drei mit einer richtigen Brotzeit, packten Brote und Erdnussbutter aus, bestrichen sich jeder ein paar Scheiben, Wurst dazu, setzten sich am Boden und waren glücklich wie Bergsteiger, die endlich am Gipfel waren.
Mir hingegen war es kalt, Hunger oder Durst hatte ich keinen und eigentlich nur das Bestreben weiterzukicken. Wir waren nämlich noch nicht am höchsten Punkt. Man sah wie es nach dem Tunnel unvermindert nach oben ging. LKW krochen im zweiten Gang nach oben, fuhren mit eingeschalteter Warnblinkanlage. Ich wollte alleine losfahren, doch das wäre nicht kameradschaftlich. Irgendwie verging mir die Zeit. Ich trieb die Gruppe dann an. Wir brachen auf und zwar ging es angenehmerweise für Radfahrer am Tunnel vorbei, außen herum.
Nach 30 Sekunden hatte ich die Gruppe wieder abgehängt. Mein Tempo musste ich fahren, damit es mir nicht kalt wurde und so zog ich wie eine Berggämse hoch. Meine Sportsfreunde vom Team Austria Jurek würden wir ein Tempo fahren, das jedem passt und wir würden kurze Pausen machen. Letztlich wären wir um wahrscheinlich zwei Stunden früher in Merritt gewesen, was an diesem Tag kein Nachteil sein sollte.
Der höchste Punkt schien mir erreicht. Hier sah ich meinen Ausatem in Form von Wasserdampf vor mir. Beim Warten auf die anderen zog ich mir die dicke Langarmjacke an. Das war jetzt gerade richtig. Meine beiden Trinkflaschen waren ziemlich leer. Zwar war ich weit entfernt vom Austrocknen, doch tat etwas Wasser gut. Neben der Autobahn war ein Gebirgsbächlein. Aus diesem nahm ich mir glasklares, extrem erfrischendes Wasser.
Spannende Abfahrt
Wieder Pause als die Freunde da waren. Sie soffen weiter wie die Löcher. Nun kam endlich eine Abfahrt. Das wurde auch schon Zeit. Josef meinte ja immer schon, es ginge etwa 50 Kilometer bergauf, danach immer nur kurz rauf und runter. Die 50er-Marke hatten wir noch nicht, doch sah man nirgendwo einen weiteren Anstieg. Jacke gut zu, Gepäck noch einmal auf guten Sitz kontrolliert und dann ging es den Berg runter. Herrlich ging das. Wir hatten mehr als 50 Sachen drauf. Ungefährlich war das freilich nicht in diesem 1,5 Meter schmalen Streifen. Zu weit rechts an die Betonmauer und man stürzt auf das Schlimmste, zu weit nach links und ein Truck nimmt einen mit. Dazu muss ich sagen, dass die Trucks immer sehr vorbildlich fahren mit einem wirklich tollen Abstand zu uns. Wirklich knapp zischten immer die kleinen PKW vorbei. Aufpassen musste man auch auf Gummiteile von zerfetzten Reifen. Die gab es haufenweise. Unglaublich, wie die offenbar nie weggeräumt werden.
Ein Hamburger berichtet
Als es flacher wurde bogen wir ab, da es einen Imbiss geben sollte. Es war wärmer geworden und ein wenig lachte die Sonne zwischen den Wolken hervor. Dieser Imbiss war ein Parkplatz mit einem Chevrolet-Bus, der seine Seitenwand hoch geklappt hatte. Drinnen stand ein Typ aus Merritt, der Hot Dogs und Sandwiches feil bot, auch Getränke, Kaffee und alle möglichen Süßigkeiten. Wir schlugen herzhaft zu und labten uns an einem der Tische. Einige Leute waren hier. Sie waren sehr an unseren Fahrmaschinen interessiert. Da kam plötzlich ein Radfahrer mit Packtaschen hinten und vorne. Natürlich begrüßten wir uns freundlich. Er sei aus Hamburg. Fein, jetzt hatte ich jemanden zum Deutsch reden.
Der Reisekamerad war in der anderen Richtung unterwegs von Merritt nach Hope. 72 km hatte er in den Beinen und starken Gegenwind gab es. Für uns hieß das Rückenwind. Ach, bevor ich weitererzähle etwas Witziges zu seiner Ankunft. Er hatte ein kurzes Trikot an. Frederic meinte, er müsse aus Österreich kommen. Ja, und dann sprachen er und ich als einzige Deutsch.
Was vom Gespräch vor allem hängenblieb ist die Sache mit den Bären. Er hatte die Tage zuvor fünfmal eine Begegnung mit Bären. Beim erstenmal sei es noch ein Schock gewesen, dann aber fast schon ganz gemütlich und normal. Man müsse sich ruhig in den Bewegungen verhalten und mit ihnen reden. Die Campingplätze in Jasper und Banff haben versperrbare Boxen für Essen, extra wegen der Gefahr der Bären. Na, uff. Gestern in Hope redete ich am Campingplatz mit einem Pärchen aus Berlin, die ein einziges Mal einen Bären sahen und dann nur aus gröbster Entfernung. Sie meinten, man übertreibe in Kanada wohl als Präventivmaßnahme und um Pfeffersprys zu verkaufen. Ja, vielleicht erlebt man das als Autofahrer so. Als Radfahrer ist man sehr knapp dran. Unser Hamburger Freund erzählte davon, dass die Bären sich neben der Fahrbahn aufhalten, eher versteckt und dann sind sie plötzlich da, eher um die Straße zu queren.
Wir gaben dem einsamen Radler „hope“, da er meinte bei diesem Gegenwind Hope heute nicht mehr zu erreichen. Sein Weg wäre gewiss ein toller, fast nur ordentlich Downhill . Freundschaftliche Verabschiedung. Was uns nun blühte war eine der geilsten Abfahrten. Bis zu 75 km/h hatten wir drauf. Wir mussten aufgrund des Seitenwinds auf Brücken letztlich den ersten Fahrstreifen benützen. Der Radfahrstreifen war einfach zu schmal. Sensationell! Welch ein Gefühl. Bestimmt waren das 3 bis 5 Kilometer Vollgas.
Sonnenschein und Wartereien
Die Sonne war heraußen und es war wirklich warm. Wieder Kurzarm. Josef und ich waren gemeinsam vorne, Frederic und Petr gemeinsam hinten. Irgendwann aber kamen die beiden nicht. Da setzten wir uns wartend in die Sonne. Sie kamen nach auffallend langer Zeit immer noch nicht. Josef rief Petr an. Einen Patschen hatte er. Wir mussten uns also nicht wirklich Sorgen machen. Weiter Warten. Sehr lange warten. Bald war es 18 Uhr und wir hatten bestimmt noch 20 Kilometer vor uns. Als die beiden Abgekämpften da waren, beschlossen wir, dass wir beiden Schnellen nach Merritt vorausfahren würden um auch noch Essen einzukaufen für heute und morgen. Wir nahmen die Bestellungen auf und fuhren sehr zügig los. Fetzblauer Himmel, Hitze, wieder lange Anstiege und kurze Gefälle. Am Limit war ich nicht, doch wollte ich mit dem schweren Chuck Jelen keinen Tick schneller fahren. Keine Ahnung, ob es Josef ähnlich ging. Ich denke aber schon.
Noch spannendere Abfahrt nach Merritt
Einmal musste ich ihn um Wasser bitten. Es wäre zwar auch ohne Trinken bis ins Ziel gegangen, doch war es mit Trinken angenehmer. Zwei Minuten Stehen und Trinken. Dann ging es non stop zum Ziel. Und gewaltig war es. Wir wurden belohnt mit einer zehn(!) Kilometer langen Abfahrt wowir permanent zwischen 50 und 60 drauf hatten. So eine lange Abfahrt ohne Bremsen und ohne nennenswerter Kurven kenne ich nicht. Das Licht kam von hinten. Wir hatten also beste Lichtverhältnisse. Wieder nahmen wir die erste Spur. Wenig Gefahren, wenig Verkehr, aber immer noch viele Reifengummiteile.
Josef fuhr zunächst zu einer Info-Stelle vor Marritt, denn unsere Reise ging weiter nach links einen Berg rauf oder runter nach Marritt. Runter nach Marritt wollten wir vermeiden, da wir das alles morgen dann wieder rauf müssten. Es blieb uns keine andere Wahl. Alles Leben sei nun einmal in Marritt. Und so fuhren wir wieder länger runter, nun mit Gegenlicht, flach stehender Sonne. Ein merkwürdiger Ort. Anfangs dachte ich, hier würden Wohnmobile verkauft. Aber nein, hier stand vor jedem Haus ein Wohnmobil. Die stehenden Häuser waren nahezu kleiner als die Wohnwägen. Waren die Häuser nur Speisekammern und Werkzeugaufbewahrung für das mobile Heim.
Ein langgezogener, flacher Ort, nur Industrie und Tankstellen und ganz viele Motels. Was suchen die Leute hier wohl? Die Landschaft mag es nicht sein. Ewig fanden wir keinen Supermarkt. Bei einer Tankstelle fragten wir. Wir wurden irgendwie nach links verwiesen. So fanden wir dann wirklich einen großen Supermarkt. Dort kauften wir alles ein. Mittlerweile war es 20:00. Wir genossen das WLAN und warteten auf die beiden anderen. Diese kamen um 20:15. Nochmals gingen wir Kleinigkeiten kaufen. Zwischenzeitlich beschlossen wir, heute ein Motel zu nehmen. Frederic war die treibende Kraft. Ich schloss mich schnell an. Kein Zeltaufbau, richtige Betten und Dusche.
Motel
Nach mittellanger Suche fanden wir eines, das preiswert war. 96 Dollar ein Zimmer, also unter 80 Euro. 20 Euro für jeden. Zwei Queensizebetten hatten wir. Die beiden Tschechen in einem, die beiden Lehrer in einem anderen. Aber nein! Ich hatte ein breites Bett allein. Frederic wollte am Boden schlafen, denn er boxe so viel in der Nacht dass seine Frau einen Helm benötige. Mir wollte er das nicht zumuten. Ein Vorteil noch: wir hatten Strom und konnten all unsere Geräte aufladen.
Hi!
Wieder spnannend geschrieben. Mich hat Dein Wechselkurs gewundert. Derzeit sind 100 Kanadische Dollar weniger als 70€. Also ist es etwas günstiger 🙂
Weiter so! Und schau nicht auf die Uhr sondern weiter auf Deine Gruppe. Hast‘ ja die Windjacke.
Lg, Harald
hi unglaublicher guido!
kannst du mir bitte deine trinkphilosophie verraten!
die kraft sei mit dir!
karl
ps: harald hat rech, ihr seid viel billiger unterwegs als du glaubst