„…auf allen Wegen auf der Suche nach der normalen Welt…“
Zum dritten Mal fand vom 11. bis 14.Mai das einzige Crossroller Etappenrennen der Welt statt:der Etapak. Jedes Jahr werden in einer anderen Region Tschechiens ein Prolog und drei Etappen durch die Landschaft gezogen. Diesmal insgesamt knapp über 200km und 5000hm möglichst abseits der Zivilisation und auf unbefestigten Wegen und Pfaden. Diesmal fand die Veranstaltung Mitte Mai in der Gegend um Karlsbad statt und obwohl es in fast ganz Europa regnete, blieb es just in dieser Gegend trocken. Jeder Etapak ist auch eine landschaftliche Entdeckung und weckt den Wunsch auch außerhalb einer Rennsituation wiederzukehren.
Es wird gemeinsam gestartet, aber jeder Teilnehmer hat kurz vor der Veranstaltung eine Sammlung an gpx-Dateien bekommen und ist für die Navigation selbst zuständig. Als Faustregel kann gelten: ist auf einer Abzweigung eine Variante steiler und gatschiger – dann ist man richtig. Kommt man zu einem Bach ohne Brücke oder Steg, dann hat man sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht verfahren.
Das Starterfeld war heuer so international wie noch nie – neben den vielen Tschech*innen waren auch einige Slowak*innen am Start, sowie je ein Vertreter aus Belgien, Großbritannien, Holland, Deutschland und schon traditionell aus Österreich.
Das Besondere am Format eines Etappenrennens ist, dass auf der einen Seite eine gemeinsame Geschichte geschrieben wird und dass andererseits auch jeder seine eigene Geschichte schreibt. Ambitionen auf die Gesamtwertung erheben mit realistischer Einschätzung nur wenige – die Favoriten sind bekannt – aber jeder und jede hat individuelle Ambitionen und Ziele: Es handelt sich dabei um keine fixen Größen, sondern um Vorstellungen, die dynamisch den Möglichkeiten und Schwierigkeiten angepasst werden. Euphorie und Verzweiflung wechseln auf der Strecke laufend – und die Erlebnisse müssen am Abend bei einigen Bieren reflektiert werden. Fixer Bestandteil und Highlight ist das gemeinsame Musizieren – heuer wegen der Wetterlage leider ohne Lagerfeuer.
Einer der soliden Favoriten ist Kaja Cvalin (CZ) , der heuer am Start festgestellt hat, dass sein Stahlroller gebrochen ist, und er mit einem Leihroller antreten musste. Das war aber für ihn kein Hindernis, seine Gesamtzeit betrug 13:56h und er dominierte die Gesamtwertung vor Martin „Marčáno“ Brož (CZ) , der neben der Rolle als Rennfahrer einen Teil der Organisation übernahm. Dritter wurde Vojta Hruza (CZ) , der in Abfahrten seine Stärken ausspielen kann. Manchmal ist er bis zur Hälfte der Etappe weiter hinten, um dann unnachahmlich zu beschleunigen und aufs Podest zu fahren.
Ein Phänomen ist der in der Kategorie Veteran startender Václav Bořík Houška (CZ), der von Jahr zu Jahr besser wird und wie eine Maschine die Strecke abspult. Seit er die Navigation beherrscht, kann ihn nichts stoppen – und neben dem Sieg in der Kategorie belegte er 2023 auch den sechsten Gesamtrang.
Völlig unverständlich bleibt, wie Marián Lenčes (SK) mit seinem selbst gebauten Karbontretroller „Goliath“ durch so eine Art Terrain pflügen konnte. Wegen der Rahmengeometrie vermeidet er möglichst in den Abfahrten zu lenken. In der letzten Etappe war er voll motiviert und belegte den 12 Rang – gesamt wurde er 23.
Es ist schön, dass dieses Format auch sechs Damen zur Teilnahme inspiriert hat. Michaela Rosová (SK) hat sich den Gesamtsieg gesichert, konnte sich aber nie ganz sicher sein, denn Kamila Šrolerová (CZ) hat um jeden Meter und jede Sekunde gekämpft.
Obwohl der Tretrollersport in Tschechien eine wesentlich breitere Basis als überall anderswo auf der Welt hat, handelt es sich auch da um eine Randsportart. Die Tatsache, dass es so viele Veranstaltungen gibt, ist von der Begeisterung der Aktiven getragen und von der Bereitschaft so manch Angehöriger dies auch zu unterstützen. Schon für eintägige Aktion ist das ein gewaltiger Aufwand – und eine mehrtägige Aktion potenziert den Aufwand. Großer Dank gebührt also dem fantastischen Organisationsteam: Honza Vlášek, als hauptverantwortlicher Erfinder der Aktion, Organisator und Filmcrew, Martin „Marčáno“ Brož, als Wächter über den Geist der Veranstaltung und verantwortlich für die Grafik, Ladislav Bartůněk als Zeitnehmer, IT und Logistikverantwortlicher sowie Mechaniker für die Probleme der Tretroller aller Teilnehmer:innen und Tomáš Pelc als Experte für gps und neu auch als Fotograf.
Auch 2024 soll es einen Etapak geben – die vakanten Startplätze sind aber rar – wer schon einmal dabei war, hat Vorrang.
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